Startseite
Zum Index (noch) erlaubter Schriften
Zum Archiv
DER ROTE PUNKT
Gästebuch
Zum Register
Impressum

 


Kaleidoskop des Grauens

 


 

Im Gegensatz zu früheren Kaleidoskopen fasse ich dieses Mal mehrere Aspekte eines Themas in einem größeren Beitrag zusammen, da diese Aspekte sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Am Ende wird ein Kaleidoskop des Grauens gezeichnet sein, das einem den Glauben an das Gute im Menschen schnell abgewöhnt. Gemeinsam ist diesen Aspekten ihre Stellung zum Gesetz, und, nicht zu vergessen, ihre daraus resultierenden Stellung zur Menschlichkeit. Geheuchelt wird an allen Fronten, auch von Staats wegen, das verwundert aber keineswegs, offenbart sich die tiefe Menschlichkeit doch immer dort, wo sie mit der Kriminalität zusammenstößt. Nach den misslungenen Bestrebungen, Kinderpornographie im Internet nicht zu löschen, sondern zu einer Stop-Seite umzuleiten, was vorläufig nicht passiert, da jetzt das Prinzip "Löschen statt Sperren" plötzlich in Mode kommt, tritt mit jedem Tag, der vergeht, das eigentliche Problem deutlicher zutage. Kinderpornographie im Internet ist nur die Spitze eines Eisberges, der durch Gefühlskälte beherrscht wird. Die Nachrichtenagenturen überschlagen sich mit Meldungen aus Kirche und Gesellschaft, die einen systematischen Kindesmissbrauch immer deutlicher dokumentieren, hauptsächlich einen solchen sexueller Natur. Der Gullideckel wird immer weiter weggezogen und heraus quillt eine übelriechende Kloake, die ihresgleichen sucht. Jetzt, wo das alles immer offensichtlicher wird, kann auch die Politik nicht zurückbleiben:

(AFP) Angesichts zahlreicher Missbrauchsfälle an deutschen Schulen und Internaten hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Konsequenzen angekündigt: Sie will nach eigenen Angaben in den kommenden Tagen mit dem amtierenden Präsidenten der Kultusministerkonferenz, dem bayerischen Unterrichtsminister Ludwig Spaenle (CSU) und den Vorsitzenden der Lehrerverbände über konkrete Hilfs- und Präventionsmaßnahmen beraten.

Wo immer ein Verdacht bestehe, müsse es "null Toleranz" geben und vollständige Aufklärung erfolgen, sagte Schavan der "Bild am Sonntag". Eltern müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Gewalt und Missbrauch in pädagogischen Einrichtungen geschützt seien. Am Samstag war bekannt geworden, dass auch an der hessischen Odenwaldschule, einer UNESCO-Modellschule in Heppenheim, Schüler regelmäßig missbraucht worden sein sollen.

"Missbraucht worden sein sollen" ist unglücklich formuliert, "nach eigener Aussage missbraucht worden sind" ist die bessere und auch grammatikalisch elegantere Formulierung. Ich kann nur hoffen, dass "null Toleranz" keine leere Phrase, sondern eine wertbeständige Formulierung ist. Die vollständige Aufklärung, und das betrifft jetzt die kirchlichen Fälle, beinhaltet auch, dass bei einem Verdacht von Anfang an die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird und nicht erst nach einer kircheninternen Untersuchung. Es geht hier um sehr ernste Straftaten und mich wundert es, dass die Staatsanwaltschaft das Spielchen der Kirche mitspielt. Deshalb rufe ich alle Betroffenen auf, diese Straftaten selbst unverzüglich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Anzeige zu bringen. In vielen Fällen wird das nichts nützen, da die Taten bereits verjährt sind. Die Täter müssen aber bekannt werden, aus verschiedenen Gründen. Da wäre als Erstes die öffentliche Kontrolle zu nennen, solche Taten dürfen sich nicht wiederholen. Dazu kommt dann noch die gesellschaftliche Ächtung, beides Punkte, die einem Strafverteidiger allerdings in die Karten spielen werden: Der Täter sei schließlich damit schon gestraft genug. Dass solche Täter Leben zerstören und zutiefst unmenschlich handeln, sollte aber jedem klar sein. Das gerade sie es verdienen, ebenso behandelt zu werden, das ist wenigstens mir und glücklicherweise nicht nur mir bewusst. Deutschland hat aber bei dem Problem des Kindesmissbrauchs keine Vorrangsstellung, wie folgende Meldung beweist:

Amsterdam (apn) Auch die katholische Kirche in den Niederlanden wird von einem Missbrauchsskandal erschüttert. Der Bischof von Rotterdam, Ad van Luyn, sprach sich am Montag für eine unabhängige Untersuchung der mehr als 200 in den vergangenen Wochen eingegangenen Beschwerden aus. Nach Missbrauchsvorwürfen gegen Angehörige eines Klosters im Februar wurden zahlreiche Vorfälle in anderen katholischen Einrichtungen bekannt; bis Ende vergangener Woche meldeten sich bei der Organisation Hulp en Recht (Hilfe und Recht) rund 200 mutmaßliche Opfer.

Die Ausbeutung des Schamgefühles vieler Opfer hat viele Täter bisher vor Strafverfolgung behütet und nicht nur das, der Staat hat vielfach zugelassen, dass solche Verbrechen kirchenintern untersucht und Überführte lediglich strafversetzt wurden. Jetzt ist Schluss mit dem Prinzip "Staat im Staate", seit nicht mehr von bedauernswerten Einzelfällen ausgegangen werden kann. Das Ganze hat durchaus System, die Häufigkeit der jetzt bekannt werdenden Fälle lässt gar keinen anderen Schluss zu. Das Prinzip bestand darin: "Die Kirche deckt uns den Rücken, ergo können wir relativ frei und kaum gestraft unseren Verbrechen nachgehen". Jetzt müssen nicht nur die Opfer, sondern auch die Kirche, die sich schützend vor viele Täter gestellt hat, Farbe bekennen. Die Kirche ist jetzt gezwungen, sich schützend vor die Opfer zu stellen, vor vergangene, gegenwärtige und auch zukünftige Opfer wohlgemerkt. Spätestens jetzt muss sich speziell die katholische Kirche fragen lassen, wie es in Himmels Namen möglich ist, dass in ihren Reihen so viele Verbrecher zum Wohle der Kirche und nicht dem ihrer Schutzbefohlenen tätig sind und waren. Es ist Zeit für eine 'tabula rasa', für einen reinen Tisch. Entweder das, oder die Glaubwürdigkeit unter Anderem der Kirche steht auf dem Spiel, einem Spiel, das in diesem Falle als verloren gewertet werden müsste. Für mich ist es ein verlorenes Spiel, ganz egal, wie das 'tabula rasa' ausgeht. Die Opfer, deren Leben in jungen Jahren zerstört wurde, werden kaum Genugtuung empfinden, wenn alles aufgeklärt wird. Denn das, was ihnen angetan wurde, ist nie wieder gut zu machen, auch nicht ansatzweise. Deshalb ist es der einzige Weg, die Verjährungsfrist abzuschaffen und die Täter hart zu bestrafen. Sonst ist großer Schaden unabwendbar. Um Wiederholung solcher Taten auszuschließen, sollte die katholische Kirche das Zölibatsprinzip überdenken. Die Verteufelung der Sexualität des Menschen ist der tiefere Grund für den systematischen Kindesmissbrauch, dessen Ausmaß immer erschreckendere Formen annimmt. Jedes Opfer ist eines zu viel und leider sind zahlreiche Opfer zu beklagen. Der Umfang des Kindesmissbrauches ist so gewaltig, dass ich keinen Weg mehr sehe, wie die beteiligten Institutionen jemals eingermßen unbeschadet daraus hervorgehen könnten. Wie ich es auch drehe und wende: Die Stunde der Wahrheit hat endlich geschlagen. Ein Erdbeben, gefolgt von einem reinigenden Gewitter, ist vorprogrammiert. Kein Stein bleibt auf dem anderen, die Stillhaltetaktik der katholischen Kirche hat sich als leck erwiesen, jetzt gibt es kein Halten mehr.

Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach, dieser Satz muss leicht verändert werden: Der Geist ist schwach und das Fleisch ist willig. Dann passt alles. Es gibt also keine Entschuldigung oder Schönfärberei mehr, die Verjährungsfrist muss erweitert werden, damit alle Täter Verantwortung ablegen müssen, die noch am Leben sind. Aus Rom bleibt es angesichts der sich in rasantem Tempo offenbarenden Fälle verdächtig still, von dort ist keine Hilfe zu erwarten. Von jedem fühlenden Menschen eben so wenig. Der Wahnsinn einer Zwangskultur, wie sie in der katholischen Kirche herrscht, stellt eben diese in Frage. Ein geistiger Bankrott rückt nur auf den ersten Blick immer näher, ein solcher Bankrott ist jedoch schon längst vollzogen, nur merkt das noch kaum jemand. Aufklärung tut not, aber nicht eine solche, die die Opfer des massenhaften Kindesmissbrauchs gezwungenermaßen über sich ergehen lassen mussten.

(Wird fortgesetzt)

 


 

 

Zum Sonderheft "Drei Künstler/innen":

 

 

Zurück zur Seite Inhalt:

 

 

 

IP

Use OpenDNS