Startseite
Zum Index (noch) erlaubter Schriften
Zum Archiv
DER ROTE PUNKT
Gästebuch
Zum Register
Impressum

 

Sonette

 

Die Reihe der Sonette wird fortgesetzt, links das Original von William Shakespeare und rechts die Nachdichtung von Karl Kraus. Dieses Mal ist es soweit, das 66. Sonett erscheint pünktlich im 50. Heft, das einzige der Sonette, das ausgesprochen politischen Charakter hat, bis heute. Jetzt sage noch einer, Shakespeare hätte nicht alles vorausgewußt:

 

LXVII

 

LXVII

Ah wherefore with infection should he live,
And with his presence grace impiety,
That sin by him advantage should achieve,
And lace it self with his society?

Ach, warum lebt vom Aussatz er umgeben,
warum darf Unwert mit dem Werte gehn
und freches Laster mit der Tugend leben
und sich durch ihre Herrlichkeit erhöhn?

Why should false painting imitate his check.
And steal dead seeming of his living hue?
Why should poor beauty indirectly seek,
Roses of shadow, since his rose is true?

Wie darf der tote Schein dem Antlitz gleichen,
von dem er den lebend'gen Glanz bezieht?
Wie darf die Schattenrose sich erschleichen
die Pracht, die einer echten Rose blüht?

Why should he live, now nature bankrupt is,
Beggared of blood to blush through lively veins,
For she hath no exchequer now but his,
And proud of many, lives upon his gains?

Was lebt er, wo Natur zusammenbrach
und ihre Adern schon kein Blut mehr haben?
Die stolz auf viele einst und nun in Schmach,
sie zehrt nur noch von seinen Liebesgaben.

O him she stores, to show what wealth she had,
In days long since, before these last so bad.

 

In schlechter Zeit bewahrt sie ihn als Bild
von jenem Reichtum, der sie einst erfüllt.

LXVIII

 

LXVIII

Thus is his cheek the map of days outworn,
When beauty lived and died as flowers do now,
Before these bastard signs of fair were born,
Or durst inhabit on a living brow:

So scheint er ganz dem Bild der Zeit zu gleichen,
wo Schönheit lebte, wie die Blume blüht;
eh man für sie erfand das Bastardzeichen,
das diese heut'gen Stirnen überzieht.

Before the golden tresses of the dead,
The right of sepulchres, were shorn away,
To live a second life on second head,
Ere beauty's dead fleece made another gay:

Eh dem geweihten Staub man seine Rechte,
den Toten ihre Lockenpracht geraubt,
und eh mit solcher Beute sich erfrechte
zu prunken das lebendig kahle Haupt.

In him those holy antique hours are seen,
Without all ornament, it self and true,
Making no summer of another's green,
Robbing no old to dress his beauty new,

In seinem Bild erblühn die heil'gen Stunden
der Schönheit, die sich selbst zum Schmuck erseh'n,
die fremdem Grün nicht ihren Lenz entbunden,
nicht prahlte mit gestohlenen Trophä'n.

And him as for a map doth Nature store,
To show false Art what beauty was of yore.

 

 


 

 

 

Ihn schuf Natur, daß falsche Kunst kann lesen
das Wesen echter Schönheit, die gewesen.

Zum Sonderheft "Drei Künstler/innen":

 

 

Zurück zur Seite Inhalt:

 

 

 

 

 

IP

Use OpenDNS