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Nachdem die Kritik an der Datensammelwut von Google gefährliche Ausmaße erreicht hat, was sich vor allem darin äussert, dass immer mehr Nutzer, unter anderem ich, konsequent auf Google-Dienste jedweder Art verzichten, sich dadurch aber bis heute noch nicht verdächtig machen (das hat gerade noch gefehlt!), musste etwas passieren. Das ramponierte Image musste aufpoliert, kritischen Politikern der Wind aus den Segeln genommen werden. Nach dem Eigentor des Google-Geschäftsführers Eric Schmidt - "Wer nicht will, dass bekannt wird, was er tut, sollte es besser gleich sein lassen" - wurde es höchste Zeit, zu handeln. Das Image der Datenkrake sollte dem Image des Freiheitskämpfers weichen. Wie konnte man das anstellen? Genial einfach! Nachdem Google sich längere Zeit dem Zensurwillen der chinesischen Regierung widerstandslos gebeugt hatte, damit jedoch seinen Marktanteil auf dem chinesischen Markt nur auf knapp 30% festschreiben konnte, Platzhirsch ist die chinesische Suchmaschine Baidu, eine sehr ungewöhnliche Situation für Google, bot sich hier die willkommene Gelegenheit. Google liess die Muskeln spielen, teilte mit, es werde an der chinesischen Zensur nicht länger mitarbeiten und drohte der chinesischen Regierung mit der Beendiging seines chinesischen Engagements inklusive der Schließung seiner chinesischen Büros. Die chinesische Regierung reagierte lakonisch mit der Feststellung, ausländische Betriebe hätten sich in China an die chinesischen Gesetze zu halten.

Erschwerend kam hinzu, dass chinesische Hacker bei Google Daten über chinesische Regimekritiker ausgespäht hatten, ob im Staatsauftrag, ist bisher undeutlich. Schlimm, schlimm: Google sammelt zwar Daten, aber gibt doch keine Daten weg! Das Ganze wird jedoch ausgehen wie das Hornberger Schießen, der deutliche Imagegewinn hat sich für Google jetzt schon gelohnt, Aussenministerin Hilary Clinton verlangt von China Aufklärung über die Hackerattacke, niemand spricht mehr über das Hauptaanliegen von Google, das Sammeln von Daten, niemand spricht mehr darüber, dass E-Mails von Google-Mail-Kunden mitgelesen und von passenden Reklamebotschaften versehen werden, auch wenn das "nur" maschinell passiert, niemand spricht aber auch darüber, dass das Datensammeln nicht das ausschließliche Terrain von Google ist, die westlichen Regierungen stehen Google und ironischerweise auch China in diesem Punkte in nichts nach. Da in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung bald vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden könnte, musste vorsorglich ein neues Instrument her, das die Datensammelwut des Staates befriedigen könnte und sich ELENA nennt. Auf den ersten Blick ein Frauenname ohne das führende H, entpuppt sich diese Elena als ein Datensammelprojekt, das der Vorratsdatenspeicherung insoweit weit überlegen ist, als die Daten vom Staat (nämlich bei der Rentenversicherung Bund in Würzburg) und nicht nur für sechs Monate, sondern für immer gespeichert werden. Um welche Daten geht es denn hier genau?

Anfang 2010 ist die Arbeitnehmerdatenbank zum elektronischen Entgeltnachweis (Elena) gestartet worden. Arbeitgeber müssen einmal pro Monat bestimmte Informationen über ihre Angestellten an diese zentrale Datenbank bei der Rentenversicherung Bund in Würzburg übermitteln.

Das Aktionsbündnis "Freiheit statt Angst" kritisiert nun dieses Vorgehen als "zweite Vorratsdatenspeicherung", weil teils heikle Daten übertragen und gesammelt werden. Laut den Bürgerrechtlern befinden sich darunter Angaben zum Ende des Arbeitsverhältnisses, also beispielsweise, wer gekündigt hat und ob zuvor eine Abmahnung ausgesprochen worden ist. Auch über die Art einzelner Fehlzeiten, darunter etwa Mutterschutz oder Krankheit, gibt es Angaben. Ferner sollen an Elena demnach Informationen über Streikbeteiligungen weitergegeben werden. "Erneut werden unnötigerweise die Daten von 40 Millionen Arbeitnehmern gespeichert, von denen vielleicht fünf Prozent irgendwann bei einer der beteiligten Leistungsstellen vorsprechen", erklärt Rainer Hammerschmidt von dem Aktionsbündnis.

Fehlt nur noch, dass alle Daten über Arbeitslose. chronisch Kranke und Rentner ebenda gespeichert werden, denn wenn schon, dann doch bitte gleiches Recht für alle. Das steht schon im Grundgesetz, im Artikel über die Gleichbehandlung (Art. 3 I GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.). Hoffentlich habe ich jetzt nicht den einen oder anderen Großkopfeten auf eine gute Idee gebracht, ich verlange doch nur, dass umgesetzt wird, was im Grundgesetz steht. Denn für ELENA wird natürlich eigens ein Gesetz gemacht, wie das so üblich ist. Rein theoretisch haben Gesetze sich am Grundgesetz zu orientieren. Praktisch passiert das jedoch eher selten. Oft entsteht der Eindruck, dass folgendes Motto vorherrscht: Was Google kann, das können wir auch!

Wie sorge ich also dafür, dass mein privater Raum erhalten bleibt? Erstens verwende ich ein Betriebssystem, das nicht nach Hause telefoniert. Zweitens wird der Zugang zu Websites im Internet nicht über den DNS-Server meines Providers abgewickelt, sondern über einen freien amerikanischen DNS-Server. Drittens benutze ich konsequent keine Google-Dienste, nicht einmal die Google-Suchmaschine. Da gibt es Alternativen, die genau so gut und treffsicher sind und die keine Benutzerdaten sammeln. Viertens engagiere ich mich nicht in sogenannten sozialen Netzwerken, da ich solche ihrer Natur nach für asozial halte. Freiwillig öffne ich mich nicht dem möglichen Mißbrauch meiner Daten. Dem einen oder anderen drängt sich jetzt die Frage auf, was ich zu verbergen habe, da ich derartig radikale Maßnahmen nehme. Die Antwort lautet: Nichts. Ich mag es nur nicht, dass ohne mein Einverständnis alle möglichen Daten über mich gesammelt werden. So lange niemand genau weiss, was alles mit den gesammelten Daten passiert, beharre ich auf meinem Standpunkt. Im Gegensatz zum Google-Geschäftsführer bin ich durchaus der Ansicht, dass es viele Dinge in meinem Leben gibt, die nur mich und höchstens noch meine Frau etwas angehen, altmodisch, wie ich nun einmal bin. Ich bin kein gläserner Mensch und Google und Co. werden sich an mir die Zähne ausbeissen. Ich gebe nichts preis ausser dem, was ich im "Roten Punkt" veröffentliche. Das darf jeder wissen. Allerdings muss man dann auch so altmodisch sein und lesen. Das passt nicht in die Informationsgesellschaft. Eine andere Quelle über mich wird es aber nicht geben, dafür sorge ich. Nicht aus Sorge, sondern aus Sorgsamkeit.

Denn ich bin erwachsen und übernehme für mich die Verantwortung. Menschen, die ich kenne und denen ich vertraue, dürfen Daten über mich sammeln, Unbekannte fallen da nicht darunter. Selbst wenn ich mit Herrn Eric Schmidt befreundet wäre, was Gott verhüten möge, würde ich noch keine Dienste seines Unternehmens in Erwägung ziehen, er repräsentiert für mich das große Übel der Jetztzeit: die Perversion der Einsicht, Wissen sei Macht. Das kann jedoch nur so lange funktionieren, als es genug Menschen gibt, die diesen Wissensdurst freiwillig füttern. Die Schattenseite der Informationsgesellschaft ist die Vereinsamung, die ihrerseits wiederum durch "Freundschaften" in sozialen Netzwerken aufgefangen wird. Je mehr "Freundschaften", umso höher der Status in einem solchen Netzwerk. Ich habe mich vor längerer Zeit einmal in einem solchen und weniger bekannten Netzwerk angemeldet und, glaubt mans denn, innerhalb von 10 Minuten hatte ich 15 Freundschaftsanfragen mir vollständig fremder Personen vorliegen. Seither meide ich "soziale" Netzwerke, da dort die Freundschaft zur Trophäe verkümmert ist.

Es ist schon merkwürdig, wieviel Mühe es heutzutage kostet, sich einen privaten geistigen Lebensraum zu erhalten, ohne auf technische Errungenschaften verzichten zu müssen. Für mich geht es nicht an, dass ich zwischen Technik und Privacy wählen soll, ich will beides. Und ich habe beides. Meine Privacy wahrborge ich vor allem im Internet, dessen große Zugpferde mit eben dieser Privacy nichts am Hut haben. Noch sind freier Wille und Entscheidungsfreiheit nur für diejenigen eingeschränkt, die eine solche Einschränkung freiwillig zulassen. Dass das nicht sein muss und auch anders geht, weiss ich. Dass einer durch ein solches Verhalten wie das meine sich irgendwann verdächtig machen wird, weiss ich auch. Verdächtig sind immer diejenigen, die sich dem Trend nicht beugen, sondern unbeugsam ihren eigenen Weg bewandeln. Denn solche Menschen sind nicht zu kontrollieren, nicht mit Methoden á la Google und Co., da sie solche Methoden geradezu ad absurdum führen. Die Ergebnisse der Datensammelwut basieren auf der Freiwilligkeit der Nutzer, ist diese Freiwilligkeit nicht vorhanden, gibt es auch keine Ergebnisse. Wo kein Rauch ist, ist auch kein Feuer, was aber im Umkehrschluß keineswegs bedeutet, dass da, wo Rauch ist, auch automatisch Feuer ist!

 


 

 

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