Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es hierzulande nicht möglich wäre, selbst die Satire ad absurdum zu führen. Das jedenfalls, was man in Deutschland als Satire bezeichnet, was mit Satire nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Da hat sich also eine Gruppe deutscher Satiriker, mit dem Nachdruck auf deutsch, dazu entschlossen, mit der Gründung eines Vereines nicht zufrieden zu sein, nein, es wurde stattdessen eine Partei gegründet, die jedoch, satirische Höhepunkte jagen sich, vom Bundeswahlleiter nicht für die Bundestagswahl zugelassen wurde. Der Bundeswahlleiter hat völlig Recht, ungeachtet der Tatsache, dass seine Entscheidung rechtlich sehr fragwürdig ist. Denn der Bierernst der landläufigen deutschen Satire gehört an den Stammtisch und nicht ins Parlament, das bekanntermaßen seine Arbeit sehr ernst nimmt, dessen Alltag zwar von Zwischenrufen aufgelockert wird, aber bitte, keine Satire und schon gar keine deutsche! Ganz atemlos bin ich schon, die satirischen Höhepunkte jagen sich, ich jage hinterher und jage sie zum Teufel! Dass bei der ganzen Angelegenheit unfreiwillige Satire eine größere Rolle spielt als freiwillige, ist schon aus der Namensgebung dieser neuen Partei ersichtlich: Sie nennt sich schlicht und einfach 'Die Partei'. Wes Geistes Kind diese Satire ist, verdeutlichen Zitate von der Website dieser Partei, beispielsweise dieses, der Startseite entnommen: Die verbotenste Partei in Deutschland trotzt Bundeswahlleiter Egeler, dem Dieter Bohlen des deutschen Parteien-Castings! Schon hier erhärtet sich der Verdacht, dass das Ganze nichts, aber auch gar nichts mit Satire zu tun hat, was auch dadurch schon naheliegt, dass der Parteigründer Martin Sonneborn Chefredakteur des Onlinemagazins 'Titanic' war und heute für die Satireabteilung des 'Spiegel' - eine solche gibt es tatsächlich! - arbeitet. Der satirische Anspruch dieser Partei wird in ihrem Parteiprogramm ad absurdum geführt, was ist auch von Leuten zu erwarten, die einen Dieter Bohlen, diesen Antitypen in jeder Hinsicht, zum Objekt ihrer "Satire" machen? Das sind also Leute, die ein Objekt subjektiv betrachten, während sie gleichzeitig bei einem Subjekt Objektivität für sich in Anspruch nehmen: Wir, die Mitglieder der PARTEI, stellen den Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik. Ausgehend von den Werten des Grundgesetzes und auf der Basis unserer Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wollen wir in unserer politischen Arbeit die Grundlagen dafür schaffen, mit anderen zusammen das Ziel einer wirklich menschlichen, das heißt friedlichen und gerechten Gesellschaft anzustreben und zu verwirklichen. Soweit die Präambel. Das klingt, abgesehen davon, dass von 'wir' die Rede ist und dass das Wort 'Partei' der Erhöhung der Wichtigkeit wegen in Großbuchstaben geschrieben ist, nun wirklich nicht satirisch, sondern ganz im Gegenteil sympathisch. Was hier als 'unsere Grundwerte' bezeichnet wird. ist allerdings ein alter französischer Hut: Liberté, egalité, fraternité - nicht einmal in diesem Punkte ist der Ansatz eines eigenen Gedankenganges erkennbar. Das lässt eine unterhaltsame Lektüre erhoffen. Der einzig satirische Aspekt dieses Parteiprogramms liegt darin, dass diejenigen, die sich 'wir' nennen, das Godesberger Programm der SPD, diese unfreiwilligste Satire aller Zeiten, andächtig gelesen haben: Freiheit als Grundwert bedeutet für uns die größtmögliche Entfaltung der Möglichkeiten jedes -einzelnen Bürgers wie auch die größtmögliche Entfaltung der Möglichkeiten der Gemeinschaft. Freiheit findet in Verantwortung vor dem Mitmenschen statt. Ihre Schranken findet die Freiheit des einzelnen -deshalb dort, wo die Freiheit des anderen berührt ist. Unser Ziel ist ein Gemeinwesen, in dem sich jeder -seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten gemäß entwickeln kann und sich seiner Verantwortung für die -Gesellschaft bewußt ist. Das is lediglich etwas ausführlicher formuliert, inklusive der Gedankenstriche, die bestens geeignet sind, die Gedankenlosigkeit zu kaschieren, jedoch ihren Ursprung in schlampigen Zeilenumbrüchen haben. (Kleiner Hinweis: Im Html-Quelltext nie die Entertaste für Zeilenumbrüche verwenden, sondern das entsprechende Tag <br>, sonst werden, satirischer gehts ja kaum, Gedankenstriche dargestellt.) Im Godesberger Programm heisst es dazu: Freiheit und Demokratie in der industriellen Gesellschaft sind nur denkbar, wenn eine ständig wachsende Zahl von Menschen ein gesellschaftliches Bewußtsein entwickelt und zur Mitverantwortung bereit ist. Aus demselben Topf geschöpft! Bewußt, versteht sich. Aber richtiggehend abgeschrieben hat 'Die Partei' nicht, sie sind Meister im Umformulieren, wie es ehemaligen deutschen Satirikern geziemt. Wenn ehemalige deutsche Satiriker ernst werden, kommt Folgendes dabei heraus: Gleichheit als Grundwert verkörpert für uns mehr als nur die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Gleichheit ist zutiefst verbunden mit dem Kerngedanken der Gerechtigkeit, an dem sie sich jederzeit messen lassen muß. Es darf nicht sein, daß in unserer Gesellschaft die Herkunft über den beruflichen Erfolg entscheidet. Gerechtigkeit als gesellschaftliches Ziel erfordert deshalb den Ausgleich sozialer -Unterschiede, den Abbau von Privilegien und wirkliche Chancengleichheit. Unser Ziel ist eine -Gesellschaft, in der individuelle Leistung ohne Ansehen der Person gefördert und belohnt wird. Das lasse ich mir doch glatt auf der Zunge zergehen. Eine Steigerung kann doch beinahe nicht mehr möglich sein? O doch, sie ist möglich: Der Grundwert der Brüderlichkeit bedeutet für uns unbedingte Solidarität mit den Schwachen, Alten, Kranken, den nachwachsenden Generationen und der Umwelt. Ohne soziale Sicherheit und besonderen Schutz ist für diejenigen, die Leistung nicht aus eigener Kraft erbringen können, kein -menschenwürdiges Leben möglich. Unser Ziel ist ein Gemeinwesen, das seine Mitglieder in Krisensituationen nicht alleinläßt und das auf dem Weg in die Zukunft niemanden zurückläßt. Das Bestreben, das Godesberger Programm an unfreiwilliger Satire zu übertreffen, ist voll und ganz geglückt. Diese Unfreiwilligkeit ist ja geradezu das Kennzeichen ehemaliger deutscher Satiriker. So wie es der SPD heutzutage peinlich ist, wenn sie auf ihr Godesberger Programm angesprochen wird, dasselbe Schicksal blüht der Clique um Herrn Sonneborn auch. Sie wissen es nur noch nicht. Dieser Erkenntnis steht ihre eigene Gezwungenheit im Wege. Das Parteigprogramm darf nicht im Entferntesten den Verdacht aufkommen lassen, es handele sich dabei um Satire. Dass Herr Sonneborn und Konsorten hier ihr tiefstes Wesen verleugnen, das führt mangels satirischem Gehalt ihre eigene Satire ad absurdum. Nichts Halbes und nichts Ganzes, weder auf satirischem als auf ernsthaftem Gebiet, was schon durch die fehlende Einsicht zu erklären ist, dass nichts ernsthafter ist als die Satire selbst. Diejenigen, die Satire mit ordinärer Witzereisserei verwechseln, wollen auf politischem Gebiet ernst genommen werden? Sie mögen ja darin Recht haben, dass Phrasendrescherei bei vielen gut ankommt, die Vergangenheit, die zugleich Gegenwart ist, ist unerbittlich. Wenn der 'Spiegel' nicht so wäre und wenigstens Zitate mit Quellenangabe gestatten würde, ohne dass man vorher um Erlaubnis zu Kreuze kriechen muss, könnte ich hier darlegen, wes Geistes Kind Herr Sonneborn wirklich ist. So bleibt nur, Spiegel-online selbst zu besuchen und sich in der Rubrik 'Spam' - das ist der durchaus satirische Titel der "Satire"-Rubrik, unfreiwillig, versteht sich - ein Bild zu machen. Nichts ist erhellender als diese Lektüre, mit dem Parteiprogramm der 'Partei' noch frisch im Gedächtnis. Wie heisst es dort so schön? Humor für Leute mit Humor.
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