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Die Wunderreise - Die Hochzeitsreise

 


 

Ganz spontan entschlossen wir uns, eine Woche wegzufahren, um die unendliche Enge unserer kleinen Wohnung mit den unendlichen Weiten des Allgäus zu vertauschen. Nach all den Monaten spontaner Lebensentschlüsse war tief durchatmen angesagt und dafür gibt es nun einmal nichts Geeigneteres als die Allgäuer Luft. Im Allgäu wohnt Mausis Lieblingsbruder in einem Haus mit seinem Sohn plus Familie, der Sohn ist ihr Liebingsneffe und ich sollte und wollte ihre Familie kennenlernen, wenigstens diesen Teil der Familie, der meiner Mausi sehr wichtig ist. Wie in jeder Familie gibt es natürlich auch schwarze Schafe - wer weiss das besser als ich - und es traf sich gut, dass wir diese schwarzen Schafe nicht besuchen würden, mir reichte es völlig, die weißen Schafe auf den ausgestreckten Allgäuer Weiden zu bewundern. Überhaupt hält sich meine Bewunderung von schwarzen Schafen in Grenzen, abgesehen von wenigen Ausnahmen. Diese Ausnahmen sind nicht diejenigen, die in tatsächliche oder psychologische Regionen abgleiten, in denen anderen Menschen Schaden zugefügt wird. Es sind die wenigen, die gefängnisartigen bürgerlichen Regionen entflohen sind, um sich in die Lage zu versetzen, sich selbst zu sein und so besondere Leistungen zu vollbringen.

Die Bahnfahrt gestaltete sich etwas chaotisch, denn sie war geprägt von allen möglichen Nachteilen, die überhaupt denkbar waren. Der Reisetag war schwülheiss, vier Mal mussten wir umsteigen, in den beiden Zügen, die die längeren Strecken zu fahren hatten, funktionierte die Klimaanlage nicht, während zugleich die Fenster sich nicht öffnen liessen, um wenigstens etwas Fahrtwind abzubekommen, was diese Züge zu wahren Brutöfen umfunktionierte, mit einem Wort, unsere Stressbeständigkeit wurde schwerstens auf die Probe gestellt. Als Sieger in Sachen Stressbeständigkeit ging dieses Mal ich aus dem Schlamassel hervor, meine allgemeine Konstitution ist im Moment stabiler als die meiner Mausi, die sich von ihrer doppelseitigen Lungenentzündung vom März noch immer nicht erholt hat. Das Wiedersehen mit ihren Leuten machte allerdings vieles wieder gut. Das fing schon in Karlsruhe an, bei der Abfahrt. Unsere Reisegesellschaft bestand aus acht Leuten. Ihr Lieblingsneffe hatte mit seiner Familie ihre Lieblingsnichte in Speyer besucht und wir hatten es so organisiert, dass wir alle zusammen in den Allgäu fahren sollten. Die Lieblingsnichte fuhr mitsamt Anhang auch mit. Was sehr lustig werden sollte, wurde es leider nur zum Teil, weil alle unter den Reisebedingungen zu leiden hatten.

Im Allgäu angekommen, wandte sich alles zum Guten. Nicht, dass es unterwegs etwa Streit gegeben hätte, nichts ist weniger wahr, wir waren alle nur ziemlich geschafft. Aber auch das gehört zum Leben, denselben Abend machte es schon nichts mehr aus. Es traf sich gut, dass ich ihre Familie sehr mochte, wurde sie doch auch ein wenig meine Familie. Der Allgäu gefiel mir ausnehmend gut - für eine Woche jedenfalls. Mausis Familie wohnte 'in the middle of nowhere', in einem winzigen Dorf von höchstens fünfzehn Häusern, aber selbst dort gab es eine Kirche, deren Glocken sich mit den Kuhglocken der Allgäuer Kühe einen aussichtslosen Streit lieferten. Von der Einfahrt aus bot sich folgender Anblick:

 


 

Allgäu1

 

Allgäu2

 

 


Die Zeit verging wie im Fluge. Weil meine Mausi leider gar nicht in Ordnung war und wir deswegen sogar ein Krankenhaus mit unserem Besuch beehren mussten, war ihr Bruder so lieb, uns mit dem Auto nach fünf Tagen zurück zu fahren. Einerseits war das schade, vor allem für meine Mausi, die sich von diesem Besuch alles Andere versprochen hatte, als sich krank zu fühlen und dadurch in allem gebremst zu sein. Andererseits - tja - 'home, sweet home' hatte auch etwas. Breitbandinternet an Stelle von dem ländlichen, weil dort wegen mangelnder Verfügbarkeit nicht anders möglichen UMTS-Internet war nur einer der Vorteile, die wir jetzt erst recht zu schätzen wussten, es war eine willkommene Verbesserung, verglichen mit den letzten Tagen. Und das galt auch für vieles Andere, wir waren zurück in unserer eigenen Welt. Die Erkenntnis wuchs, dass diese eigene Welt diejenige ist, in der wir am besten funktionieren. Reisen sind schön und wichtig, sie zeigen uns aber auch unsere Grenzen auf. Ich selbst kann mich wieder ungestört mit meinen eigenen Dingen beschäftigen - wohin ich auch komme, erst einmal ist eine oder sind mehrere Computerreparationen angesagt, das ist das Schicksal des Kenntnis Besitzenden - der Druck verlagert sich dorthin, wo er hingehört, nämlich auf das Gebiet der eigenen kreativen Leistung. Das ist, unbeschadet aller Sympathien, die ich anderen Menschen entgegenbringen kann, summa summarum nicht nur mein Platz in meiner eigenen Welt, sondern mein Platz in der Welt überhaupt. Der Welt also, der ich voller Vorbehalte begegne, voller Vorurteile sogar, denn ich vergleiche sie beinahe zwangsläufig mit meiner eigenen inneren Welt. Es ist nicht so, dass die Welt in diesem Vergleich schlecht abschneidet, es ist so, dass meine eigene innere Welt in diesem Vergleich gut abschneidet. Ich habe nichts gegen die Welt ausser meinen Vorurteilen, die Welt hat etwas gegen mich und auch das ist ein Vorurteil. Ich und die Welt, wir verstehen uns bestens auf dem Gebiet der Vorurteile. Das möchte ich gerne so halten und ich verspreche, dafür mein Bestes zu tun. Denn Welten trennen meine innere Welt von der Aussenwelt und auch das werde ich weiterhin so halten. So dankbar ich der Welt für ihre Existenz bin, so undankbar ist sie mir für die meine. Das hindert mich jedoch keineswegs daran, meine Arbeit fortzuführen, im Gegenteil, es bestärkt mich nur noch mehr darin. Um es einmal auf Englisch auszudrücken: My home is not my castle, my home is my paradise!

Wie im letzten Heft angekündigt, veröffentliche ich im vorliegenden Heft einige Fotos von unserem Hochzeitstag. Das tue ich nicht hauptsächlich für meine Leserschaft, sondern hauptsächlich für mich selbst. Vorausgesetzt, dieses Heft wird nicht wie das 37. wie von Geisterhand von meinem Server und meinem Rechner gelöscht - dann habe ich aber diesmal den Backup auf CD noch - , kann ich mir die Fotos immer wieder ansehen. Ich tue kaum etwas lieber als das, denn selbst wenn es so sein sollte, dass eine Heirat eine Formalität ist, denn eine solche hebt eine Beziehung wirklich nicht auf eine andere Ebene, es war ein besonderer Tag schon alleine darum, weil ich einen Anzug und Krawatte trug. Und meine Mausi ein Dirndl. Die Symbolik dieses ganzen Geschehens führt ein Eigenleben und ist deshalb der wiederholten Betrachtung mehr als wert. Alles an diesem Tag war ein Symbol einer längst vollzogenen und dennoch stets wieder zu vollziehenden Symbiose. Aber schön war es dennoch, das Unwirkliche dieses Tages erschien nur anfangs als unwirklich. Es wich der Erkenntnis, dass wir etwas befestigt hatten, das wir ohne die Heirat so nie hätten befestigen können. Und brauchen konnten wir das, denn wir beide sind gesundheitlich nicht stabil, wir können jeden geistigen Ruhepunkt nur willkommen heissen. Und so öffnen wir unsere Arme nicht nur für uns gegenseitig, sondern auch für die alles umfassende gemeinsame Dimension. Ein Schelm, der Böses dabei denkt - die Schelme sind wir selbst! Jedoch leider Gottes Schelme von der Sorte, die nur Gutes denkt. Es sei denn, dass Andersartiges gerechtfertigt erscheint.....


 

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