Vieleinlader

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Die geplante Visa-Warndatei läuft nach Ansicht von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast auf eine Kriminalisierung unschuldiger Bürger hinaus. Die Bürger würden damit wie bei der Vorratsdatenspeicherung unter Generalverdacht gestellt, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Das ist praktisch eine Kriminalisierung", rügte die Grünen-Fraktionschefin. Um den Missbrauch von Visa zu bekämpfen, will die Bundesregierung unter anderem Menschen in einer "Vieleinladerdatei" erfassen, die öfters für Gäste aus dem nicht europäischen Ausland bürgen. Das Gesetz soll am Mittwoch im Bundeskabinett beraten werden.

Künast verwies darauf, dass sehr viele Stellen auf die Vieleinladerdatei zugreifen dürften - neben Polizei und Staatsanwaltschaft etwa auch die Arbeitsagenturen und der Verfassungsschutz. Die Frage sei mittlerweile die, "ob sich Bürger in Deutschland legal verhalten und trotzdem ins Visier von Polizei und Verfassungsschutz geraten können", kritisierte sie. Betroffen seien von der Regelung zum Beispiel Unternehmen oder Hochschulen mit internationalen Kontakten, die Tourismusbranche, Vereine und Sportklubs. Schwierigkeiten erwarte sie auch für binationale Ehen.

Künast verwies auf ein europäisches Visawarnsystem, das im Sommer 2008 beschlossen wurde. Auch dieses sehe zwar eine Vieleinladerdatei vor, auf die allerdings nur ein kleiner Kreis von Personen Zugriff habe, und in der nicht ohne Anlass recherchiert werden dürfe. Die Bundesregierung habe aber nicht den Aufbau dieser Datei abgewartet, sondern sei vorgeprescht und dabei "weit über das Ziel hinaus geschossen".

Der Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung besteht vor allem darin, dass der Staat die Kontrolle der Bürger nun ganz in die eigene Hand nimmt und die Speicherung inklusive deren Kosten nicht mehr den Providern aufbürdet, sondern dem Steuerzahler, der durch diese Maßnahme durchaus ins Visier der Behörden geraten kann. Ich wette hundert zu eins, dass der Initiator, der diese Visa-Warndatei jetzt endlich durchdrücken will, Schäuble heisst. Vorläufig allerdings hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, darüber gleich mehr, und das scheint ihn nachdenklich zu machen (Sokrates und Rodin hätten ihre helle Freude an diesem Bild):

 

Schäble ist nachdenklich



Dass mit dieser Datei Schleuserbanden das Handwerk erschwert oder gar gelegt werden könne, ist natürlich ein Witz, aber ein schlechter: Kriminelle arbeiten mit gefälschten Identitäten und mit Strohmännern, das ist in Expertenkreisen unumstritten. Mit einer solchen Datenerfassung ist ihnen überhaupt nicht beizukommen. Das wissen die Verantwortlichen selbstverständlich auch und, ganz wie von Zauberhand gelenkt, ergeben sich jetzt Fragen:

Wie bei der Vorratsdatenspeicherung wird das vorgeschobene Ziel nicht erreicht, wozu dient das Ganze denn nun wirklich?

Wieso muss das Volk schon wieder unter Generalverdacht gestellt werden?

Wer hat denn nun in diesem Lande die größte Angst?


Selbst wenn der Gesetzentwurf im letzten Moment vom Justizministerium zurückgezogen wurde, macht das für die Intentionen der Machthaber keinen Unterschied und die drängenden Fragen bleiben unverändert bestehen, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben:

(AFP) Das Vorhaben einer Visa-Warndatei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist vorerst geplatzt. Das Bundesjustizministerium habe den erzielten Konsens am Montagabend überraschend aufgekündigt, sagte der Sprecher von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Stefan Paris. Ursprünglich sollte der Gesetzentwurf am Mittwoch im Kabinett beraten werden.

Die vielfältigen Proteste und die massive Kritik haben wenigstens die Bundesjustizministerin zum Nachdenken angeregt. Das ganze Ausmaß dieses Vorhabens, das aus der konservativen Ecke nach Kräften vorangetrieben werden sollte, wird durch eine Presseerklärung einer unabhängigen Datenschutzorganisation verdeutlicht:

20.02.2009
P R E S S E M I T T E I L U N G
ULD: Entwurf für Visa-Warndatei-Gesetz verstößt gegen Datenschutz

Das Bundesinnenministerium plant die Errichtung einer Visa-Einlader- und Warndatei, mit der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden bei der Visavergabe vor möglichem Missbrauch gewarnt werden. Damit soll zugleich illegaler Beschäftigung, Rauschgiftschmuggel, Terrorismus, Menschen- und Kinderhandel vorgebeugt werden.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kommt in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf zwecks Errichtung der Datei zu dem Ergebnis, dass diese aus Datenschutzsicht nicht akzeptabel ist, weil unverhältnismäßig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Visaantragstellern und Einladern in Deutschland eingegriffen würde. Nicht nur auffällige Visaantragsteller, sondern sämtliche Einlader in Deutschland sollen gespeichert werden: Wirtschaftsunternehmen, Sport- und Musikvereine, Verbände für den Jugendaustausch, kulturelle und humanitäre Organisationen sowie die Personen, die für diese Stellen tätig werden. Wer Ausländer von außerhalb Europa nach Deutschland privat einlädt, wird ebenfalls erfasst. Betroffen wären insbesondere eingewanderte und binationale Familien. 5 Einladungen innerhalb von 2 Jahren genügen für eine Warnmeldung. Aus Sicht des ULD nicht akzeptabel ist, dass Zugriff auf diese Daten auch Sicherheitsbehörden, also Polizei und Strafverfolger und sogar die Geheimdienste, erhalten sollen.

Der Leiter des ULD, Dr. Thilo Weichert: "Was hier als Warndatei gegen Visamissbrauch öffentlich präsentiert wird, ist nichts anderes als eine gigantische Vorratsdatenspeicherung all der Menschen und Organisationen, die mit Menschen außerhalb von Europa den direkten persönlichen Austausch pflegen. Eine Warndatei, die diesen Namen zu Recht trüge, würde sich auf die Personen und Stellen beschränken, bei denen ein konkreter Verdacht des Visamissbrauchs begründet ist. Mit der geplanten Datei profiliert sich Deutschland als Kontroll- und Abschottungsstaat. Die Visadatei ist ein Ärgernis und eine Gefahr für all diejenigen, die den wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Austausch insbesondere auch mit entwicklungsbedürftigen Ländern anstreben." Nach Ansicht von Weichert zielt die Datei vor allem gegen diejenigen, die weltoffen und ehrlich sind: "Menschenhändler und Terroristen arbeiten mit gefälschten Identitäten und Strohmännern, denen mit der geplanten Datei nicht begegnet werden kann. Der Entwurf, der eine Misstrauenserklärung gegenüber allen international engagierten Menschen darstellt, muss zurückgezogen werden und durch einen Vorschlag ersetzt werden, der sich auf das konkrete Problem des Visamissbrauchs konzentriert."

Zurückgezogen ist der Entwurf zunächst einmal, wenn auch ohne Angabe von Gründen und man kann nur hoffen, dass dieser Rückschritt in frühere Zeiten, was die Verdachtmachung betrifft, nicht doch noch Gestalt annimmt. Wenn es nach Herrn Schäuble ginge, wäre jeder verdächtig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Und regelmäßige Auslandskontakte sind in Deutschland nun einmal traditionsbedingt in höchstem Maße verdächtig! Ein guter Deutscher bleibt unter seinesgleichen, das versteht isch doch von selbst!
Es ist, bis jetzt, ein wahres Glück, dass nicht das Innenministerium des unsäglichen Herrn Schäuble, sondern das Aussenministerium und das Justizministerium zuständig sind. Sollen sie es doch unter sich ausmachen, aber bitte weiterhin ohne Angabe von Gründen! So wird wenigstens der Fadenscheinigkeit vorgebeugt, die immer dann entsteht, wenn ein Vorhaben nicht durchdacht ist. Es ist ein erschreckendes Zeichen der Hilflosigkeit, zur Sicherheit gleich das ganze Volk zu verdächtigen. Das ist ein wichtiges Symptom für Faschismus, der hier unterschwellig durch das Hintertürchen eingeführt werden soll. Beabsichtigt oder nicht, ist uninteressant. Interessant wäre es allerdings, zu erfahren, ob die Bundeskanzlerin, die zweifellos mehr als fünf Nicht-EU-Ausländer innerhalb von zwei Jahren einlädt, nach Deutschland zu kommen, auch als verdächtig in einer solchen Datei erscheinen würde. Oder waren hier Sonderregelungen geplant? Die Bevölkerung bespionieren mit Ausnahme der Spione selbst?

Aber trotz aller Kritik, ich bin bekanntermaßen ein Freund der deutschen Behörden und tue nichts lieber, als ihnen ihre ohnehin schon beinahe zu schwierige Arbeit zu erleichtern. Ich erkläre also in aller Offenheit, der ich fähig bin, dass ich nicht vorhabe, innerhalb von zwei Jahren fünf oder mehr Nicht-EU-Ausländer nach Deutschland einzuladen. Man möge sich den sonst unnötig verschleuderten Speicherplatz sparen! Ich gehe sogar so weit, dass ich an dieser Stelle regelmäßig meine IP-Adresse veröffentliche, sodass nicht mehr eigens beim Provider nachgefragt werden muss (Stand der IP-Adresse: 10. März 2009):

 

Meine IP-Adresse



Helfen wird mir das allerdings nicht, denn ein Generalverdacht umfasst alle, Ehrlichkeit und Offenheit müssen genauso überprüft werden wie Unehrlichkeit und Heimlichtuerei, das verstehe ich besser als mancher Andere. Es ist schon verdächtig genug, dass ich nur noch mit Linux im Internet unterwegs bin. Wenn schon der Bundestrojaner bei mir keine Chance hat, dann müssen eben andere Methoden her. Die flächendeckende Überwachung setzt sich schließlich aus vielen Bausteinen zusammen!


 

 

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