Sonette

 

Die Reihe der Sonette wird fortgesetzt, links das Original von William Shakespeare und rechts die Nachdichtung von Karl Kraus:

 

XXXV

 

XXXV

No more be grieved at that which thou hast done,
Roses have thorns, and silver fountains mud,
Clouds and eclipses stain both moon and sun,
And loathsome canker lives in sweetest bud.

 

Nicht länger wirf dir vor, was du getan:
es hat die Rose Dornen, Schlamm der Quell,
der ekle Wurm fällt süße Blüte an,
und manchmal scheinen Sonn und Mond nicht hell.

All men make faults, and even I in this,
Authorizing thy trespass with compare,
My self corrupting salving thy amiss,
Excusing thy sins more than thy sins are:

 

Wir fehlen all', mir ist der Fehl zu eigen.
mit Bildern deinen Fehler zu verschönen,
bestochen bin ich, deinen Wert zu zeigen,
mehr, als du Schuld hast, mich dir auszusöhnen.

For to thy sensual fault I bring in sense,
Thy adverse party is thy advocate,
And 'gainst my self a lawful plea commence:
Such civil war is in my love and hate,

 

Für deiner Seele Fehler hab ich Sinn,
als treuer Anwalt spricht für dich dein Feind;
ich klag mich an, und dein ist der Gewinn.
Und so sind Lieb und Hass in mir geeint,

That I an accessarry needs must be,
To that sweet thief which sourly robs from me.

 

daß ihrem Ausgleich nur der Fehler blieb:
ich bleibe Hehler meinem lieben Dieb.

XXXVI

 

XXXVI

Let me confess that we two must be twain,
Although our undivided loves are one:
So shall those blots that do with me remain,
Without thy help, by me be borne alone.

 

Das Schicksal scheidet uns, laß mich's bekennen,
ob auch untrennbar unser Bündnis wäre.
Du mußt dich nun von meinem Makel trennen,
damit nicht, was ich trage, dich entehre.

In our two loves there is but one respect,
Though in our lives a separable spite,
Which though it alter not love's sole effect,
Yet doth it steal sweet hours from love's delight.
 

So hat das neid'sche Schicksal es beschlossen,
zu scheiden, was im Innersten verbunden.
Zwar trennt es nicht des Seelenglücks Genossen,
doch stiehlt es dem Genusse seine Stunden.

I may not evermore acknowledge thee,
Lest my bewailéd guilt should do thee shame,
Nor thou with public kindness honour me,
Unless thou take that honour from my name:

 

Ich darf mich nicht an deiner Seite zeigen,
daß Schmach du nicht empfängst von meiner Schmach;
noch darfst du vor der Welt zu mir dich neigen,
vor der es dir an Ehre sonst gebrach.

But do not so, I love thee in such sort,
As though being mine, mine is thy good report.


 

 

 

So tu's nicht! Mein, wie alles was enthält
dein Dasein, ist dein Ansehn in der Welt.

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