Die Satire und ich

Stichwortsuche im "Roten Punkt":


 


Die Satire hat seit jeher in Deutschland einen schweren Stand. Das liegt vor allem daran, dass die deutsche Realität an satirischem Gehalt schwerlich zu überbieten ist. Das hat zur Folge, dass die deutsche Satire im Allgemeinen gar keine Satire ist, sondern sich auf dem Niveau des Gassenwitzes bewegt. Selbst im satirischen Teil von "Spiegel online" ist alles Mögliche zu finden, nur eben keine Satire. Beispielsweise ein Foto zu nehmen und den darauf Abgebildeten per Sprechblase witzige Sätze in den Mund zu legen, ist eine allseits beliebte Art, sich seiner satirischen Verpflichtung zu entledigen. Ich wollte gerade ein Beispiel aus "Spiegel online" hier veröffentlichen, als ich über folgendes Hindernis stolperte:


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Wobei natürlich Genehmigungs- und Kostenpflichtigkeit einander absolut gleichgestellt sind, das versteht sich von selbst. Meine Leserschaft wird also auf das Bild verzichten müssen, denn ich werde einen Teufel tun und für ein Zitat den Weg durch die "Spiegel"-Instanzen beschreiten. Ich könnte schließlich als Talent entdeckt werden, davor möge Gott mich behüten! Und schlimmer noch: ich müsste meinen guten Willen, für "Spiegel online" Reklame zu machen, auch noch bezahlen, anstatt dafür bezahlt zu werden. Ich hätte selbstverständlich nichts verlangt für meine Dienste, denn eine Beachtung im "Roten Punkt" ist an sich schon teuer genug: Sie kratzt am Selbstverständnis der Betroffenen. Aber dafür kann ich nichts! Ich betrachte nur, was vorhanden ist und dass durch die Art meiner Betrachtung offengelegt wird, auf welchem geistigen Niveau sich die Intelligentia dieses Landes oft bewegt, das ist nicht mir anzulasten! Aus diesem einfachen Beispiel wird schon ersichtlich, dass sich die tägliche Realität hierzulande durchaus auf satirischem Boden abspielt.


Im 19. Heft habe ich im Beitrag "Satire" schon einmal dargelegt, wie meine Stellung in einer durch und durch satirischen Realität, die vor Unfreiwilligkeit nur so strotzt, sich darstellt. Meine satirische Leistung besteht darin, dass ich Zusammenhänge herstelle, die auf den ersten Blick nicht deutlich ersichtlich sind. Meine Satire ist ein durchaus ernsthaftes Gegengewicht zur Lächerlichkeit des alltäglichen Wahnsinns. Eines ist deutlich bei der Betrachtung dieses alltäglichen Wahnsinns: Intelligenz schützt nicht vor Dummheit. Die Dummheit dagegen ist von der Natur der Sache her der beste Schutz vor Intelligenz. Eine Intelligenz, die sich von der Dummheit beleidigt fühlt, ist keine. Die Intelligenz sollte die Dummheit liebevoll umarmen, den sie lebt geradezu von der Dummheit, etwa so, wie ein Vampir vom Blute seiner Opfer lebt. Sie sollte nur aufpassen, dass sie nicht von der Dummheit erdrückt wird. Nichts ist verführerischer, als die Dummheit ihrer Unbedarftheit und relativen Sorglosigkeit wegen zu beneiden. Das ist jedoch eine gewaltige Täschung, denn Dummheit ist, abgesehen von ihrer Gefährlichkeit, alles andere als unbedarft oder gar sorglos. Die Dummheit manifestiert sich durch Ausübung von Kontrolle, in welcher Form auch immer. Dass dadurch automatisch Freiheit und Individualität geknechtet werden sollen, ist ganz selbstverständlich. Ich setze mich mit der Dummheit auseinander und nicht zusammen. Und so wird die Auseinandersetzung mit der Dummheit, die sich im alltäglichen Wahnsinn manifestiert, zum Kampf. Zu einem aussichtslosen Kampf, denn die Dummheit ist keine feste Größe, sie ist biegsam in alle Richtungen und passt sich dem Druck problemlos an. So wie sie sich allem anpasst und ihr Fähnchen verlässlich immer in den Wind hängt. Ich verteidige nicht meine Freiheit und Individualität, sondern benutze diese, um die Dummheit anzugreifen. So aussichtslos dieses Unterfangen erscheinen mag, denn ändern wird sich durch meinen Kampf rein gar nichts, ich bin der Dummheit dennoch dankbar für ihre Existenz. Sie schärft täglich meine Sinne und lässt mich bewußt erleben, was mir da entgeht, obwohl oder gerade weil mir nichts entgeht.


So kann meine Satire sich frei entfalten, durch nichts gehindert in ihrer Entwicklung. Das Übermaß an Material. das meiner Betrachtung zur Verfügung steht, schreckt mich nicht ab, im Gegenteil, es zieht mich magisch an. Nichts ist vor meiner Betrachtung mehr sicher. Entgegen landläufiger Meinung scheue ich die großen Themen keineswegs, ich lege nur offen, dass diese im Kleinen schon verborgen sind. Das Große setzt sich aus vielem Kleinen zusammen, während das Kleine immer Teil ein großen Ganzen ist. Das Kleine ist Symptom und deshalb der Betrachtung oft mehr wert als das Große, das ein Zustand ist. Die Zusammenhänge und Perspektiven ergeben sich dann von selbst.


Ich nehme keineswegs für mich in Anspruch, die Weisheit gepachtet zu haben. Was ich für mich in Anspruch nehme, ist meine Freiheit. Und das in jeder Hinsicht: meine Freiheit des Denkens und daraus resultierend meine Freiheit, mich zu äußern, stehen voran. Theorie und Praxis vereinen sich bei mir: Ich lebe, was ich denke. Ich brauche meine Freiheit wie die Luft zum Atmen und ebenso selbstverständlich, aus einem natürlichen Impuls heraus, wie ich atme, nehme ich mir meine Freiheit und lebe sie. Dass mir die Dummheit dabei in die Quere kommt, ist ihre Schuld und nicht die meine. Dabei zeige ich mehr Verantwortung, als es die Dummheit jemals vermöchte, deren Verantwortung, wenn überhaupt, nicht weiter als die eigene Nase reicht. Wer meine Satire als ernstgemeinte Warnung versteht, liegt genau richtig. Meine Art ist zugleich meine Eigenart. Ich leide wesentlich mehr unter der Dummheit als diese unter mir. Ich fühle mich keineswegs besser, wenn ich in die Kloake der Dummheit tauchen muss, die schon rein gar keinen Abgrund kennt. Das jedoch rechtfertigt meinen Kampf umso mehr!



 

 

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