Neue Medien

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Neu ab diesem Heft ist eine gelegentliche Beschäftigung mit neuen Medien, vor allem wenn solche kontroversiell durch die Nachrichten geistern. Dann fängt der Spass erst an. Heute sind die Hörbücher an der Reihe, sie beissen sozusagen die Spitze ab. Die Hörbuchbranche beklagt zutiefst, dass sie offenbar das Los der Musikindustrie teilen muss, was illegale Downloads betrifft. Das Gerede über missachtete Urheberrechte bedeutet schlicht und einfach, dass Einkünfte verloren gehen, und zwar nicht einmal hauptsächlich den Urhebern, die durch Verträge geknechtet sind und eh nur einen Hungerlohn verdienen, sondern in erster Linie den Verlegern selbst. Das kann natürlich nicht angehen.

Leipzig (dpa) - Die Hörbuch-Branche sieht sich mehr und mehr von der Internet-Piraterie bedroht.

"Jedes andere Land unternimmt mehr für den Schutz des Urheberrechts als Deutschland", sagte die Verlagsleiterin des Marktführers Der Hörverlag (München), Claudia Baumhöver, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Als wir zum Beispiel den letzten Harry-Potter-Band mit Rufus Beck als Sprecher mit 80 000 Exemplaren ausgeliefert hatten, gab es im Netz bereits mehr als 300 000 Anbieter, bei denen die Lesung illegal heruntergeladen werden konnte", erklärte die Verlegerin anlässlich der Leipziger Buchmesse (12. bis 15.3.). In Deutschland seien die Urheber "praktisch enteignet" worden.

Bei den Verlagen mache sich der dadurch entstehende Verlust inzwischen auch finanziell bemerkbar. Insgesamt sei der Hörbuch-Markt "dünner" geworden. "Wir müssen alle sehen, wie wir dieses Jahr durchstehen", sagte Baumhöver. Aber es gehe nicht nur um Geld, sondern vor allem um die deutsche Kulturlandschaft. "Die Bundesregierung ist nicht bereit, um die notwendige Ecke zu denken", sagte Baumhöver. "Denn was passiert, wenn die Urheber nicht bezahlt werden? Ganz einfach: Dann können sie keine neuen, kreativen Werte schaffen", so die Hörverlag-Chefin. Das betreffe Schulbücher ebenso wie Literatur und Hörbücher, aber auch alle deutschen Filmemacher.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) setze auf eine Freiwilligkeit der Internet-Provider. Das genüge jedoch nicht. "Nach dem Vorbild von Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den USA muss der Provider den Nutzer abmahnen und in der Folge abschalten, wenn er illegale Downloads anbietet", sagte Baumhöver. Klagen gegen Internetnutzer seien nur ein kurzfristiger Schreckschuss. "Politiker denken immer nur bis zur nächsten Wahl und nicht weiter. Aber spätestens 2020 wird man die Regierung Merkel für die Enteignung der Urheber und die Folgen verantwortlich machen", meinte Baumhöver.

"Eigentlich brauchen wir ein Medien-Ministerium, das sich um diese Belange kümmert", forderte die Verlegerin. "Wir müssen außerdem dringend über eine sogenannte Kultur-Flatrate nachdenken, mit der über die Provider Geld eingenommen und an die Kulturschaffenden weitergeleitet wird." Die von den Verlagen angebotenen, legalen Downloadmöglichkeiten zum Beispiel über www.claudio.de, www.audible.de oder www.soforthoeren.de würden nur schwach genutzt, sagte Baumhöver.

Illegal heruntergeladen werden alle Bestseller - von Henning Mankell und Ken Follett über Joanne K. Rowling und Charlotte Roche bis John Grisham. Viele Konsumenten machten sich keine Vorstellung davon, wie aufwendig eine Hörbuchproduktion ist, sagte die Verlagsleiterin. Zu den Gagen für Sprecher, Autor, Regisseur, Übersetzer, Komponist, Musiker und Tontechniker kämen noch Lizenzrechte für Text und Musik sowie Studiogebühren. "Große Produktionen wie Tolkiens "Herr der Ringe"-Saga kosten rund eine halbe Million Euro."

Dazu ist natürlich Einiges zu sagen. Ich bin der Ansicht, dass der deutsche Kampf gegen die Piraterie nicht nur im Golf von Aden stattfinden sollte, sondern selbstverständlich auch im Internet. Ich bin der Ansicht, dass der Schutz der Urheberrechte nicht nur auf wertlosem Papier stehen sollte, sondern auch endlich einmal praktiziert werden sollte. Der Kontrollewahn des Staates ist doch auf allen anderen Gebieten recht umfassend vorhanden, warum also nicht auch hier? Unbestritten ist, dass das geistige Eigentum besser geschützt werden muss, aber ebenso unbestritten ist, dass die aus dem Urheberrecht entstehenden Geldströme in höherem Maße den Urhebern zufließen sollten, die letztendlich die ursprünglichen Verursacher dieser Geldströme sind. Es gibt also gewisse Berührungspunkte mit den Ansichten der Frau Baumhöver. Dass meine Ansichten allerdings radikaler als die ihren sind, liegt auch daran, dass meine Ansichten nicht von finanziellen Aspekten motiviert sind, während die ihren zwangsläufig auf der finanziellen Schiene fahren, allem Gerede von der deutschen Kulturlandschaft zum Trotz. Und so ist die Selbstlosigkeit der Frau Baumhöver zugunsten ihrer Autoren geradezu rührend und ich erliege beinahe der Versuchung, mich als Autor bedingungslos unter ihre Obhut zu begeben, wie viele andere das offenbar gemacht haben. Aber ganz so einfach geht das bei mir nun einmal nicht, denn bevor ich mich in ein neues Abenteuer stürze, bin ich doch zurückhaltend genug, um mir die ganze Sache erst einmal in Ruhe anzusehen. Da mir das Phänomen Hörbuch bis jetzt fremd war − ich bin nun einmal ein Leser und habe das Hören bis jetzt für die Musik reserviert − musste ich mich erst einmal mit dem Phänomen beschäftigen.

Ich habe mir also drei Hörbücher heruntergeladen, weil ich das neue Medium kennenlernen wollte. Bevor jetzt Fragen auf mich einstürmen, es betraf legale Downloads des Projektes "vorleser.net", und zwar drei Hörbücher, die ich auch als Bücher besitze. Es handelte sich um die 5. Novelle aus dem "Decamerone" von Giovanni Boccaccio (Sprecher: Johannes M. Ackner), um das 18. Sonett von William Shakespeare, wobei als Sprecher Patrick Imhof in Erscheinung tritt, der Übersetzer wird nicht genannt und schließlich "Die drei Zechpreller" von Honoré de Balzac, ebenfalls gesprochen von Johannes M. Ackner.

So sehr ich die Leistung beider Sprecher anerkenne, ich war einfach nur enttäuscht. Ich bin ein Leser der Assoziationen. Das Wunderbare eines Buches erschließt sich mir eben durch die Assoziationen, die in meiner Phantasie beim Lesen entstehen. Dazu gehören natürlich auch der Klang der Stimmen, der Tonfall, die Art des Sprechens. Figuren aus Büchern und das, was sie sagen, werden durch solche Assoziationen lebendig. All das geschieht beim Anhören von Literatur nicht, alles ist vorgegeben und meine Phantasie hatte wenig zu tun, kurz gesagt, es wurde schnell langweilig und konnte dem Vergleich mit dem Leseerlebnis nie und nimmer standhalten. Aus demselben Grunde gehe ich ungern ins Theater, sondern lese ein Theaterstück lieber. Es mag ja sein, dass das Phänomen Hörbuch eine Lösung ist für weniger phantasiebegabte Menschen, die zudem noch lesefaul sind, ganz zu schweigen von Menschen, die mit dem Lesen an sich Probleme haben. Für mich allerdings fügt das Hörbuch nichts hinzu, im Gegenteil, es beraubt mich des ganzen Zaubers des geschriebenen Wortes.

Bevor jetzt gedacht wird, ich sei halt einfach konservativ, ich stehe allem Neuen aufgeschlossen gegenüber, aber eben auch kritisch. Es reicht mir nicht, dass etwas neu ist, dieses Neue muss auch eine Dimension im Erleben oder in der Nutzung hinzufügen. Meinen iPod beispielsweise möchte ich nicht missen, der voller eigener und fremder Aufnahmen ist und so der Brunnen vieler Hörstunden voller Wunder.

Wie bekannt sein dürfte, bin ich Komponist und Schriftsteller und das Urheberrecht betrifft mich voll und ganz. Auf dem Papier, also im Gesetzbuch, ist ja alles zur vollsten Zufriedenheit geregelt. In der Praxis allerdings ist das geistige Eigentum vogelfrei erklärt. Das liegt ganz einfach daran, dass in Deutschland das geistige Eigentum nie einen höheren Stellenwert besass. Die altbekannte Frage an Künstler: "Interessant, was Sie da machen, aber sagen Sie mal, kann man denn davon leben?", diese von Verachtung geprägte Sichtweise, der auch eine gewisse Eifersucht innewohnt, das ist die Tradition hierzulande. Was Künstler produzieren, darf keinen materiellen Wert haben, denn es ist ja geistig und sonst nichts. Die Verwunderung darüber, dass ein Künstler von seiner Arbeit leben kann, belegt das in erschreckendem Maße. Demzufolge ist der Diebstahl geistigen Eigentums in Deutschland ein Kavaliersdelikt. Ich bin auch der Ansicht, dass diejenigen, die sich daran versündigen, durch urheberrechtlich geschütztes Material zum illegalen Download anzubieten, vom Internetzugang abgeschaltet werden müssen. Das wäre das Mindeste. Es ist nicht recht einzusehen, dass der Begriff illegal in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung haben soll als in anderen strafrechtlich relevanten Zusammenhängen. Ob allerdings ein Medien-Ministerium oder gar eine Kultur-Flatrate ein Umdenken zuwege bringen würden, wage ich doch stark zu bezweifeln. Es geht nämlich darum, dass den Menschen erst einmal der Respekt vor dem geistigen Eigentum anderer Menschen beigebracht werden muss, so traurig es auch ist, dass ein solcher Respekt nicht vorhanden ist. Dass dieses Denken die Urheber praktisch enteignet, ist eine ebenso traurige Tatsache. Hier ist die ganze Gesellschaft gefragt. Im Argen liegt hier auch die Erziehung zuhause und an Schulen. Ein Rechtssystem, das den Diebstahl geistigen Eigentumes zwar als Diebstahl anerkennt, aber nicht in der Lage zu sein scheint, einen solchen auch zu ahnden, versagt hier nur zu deutlich. Diebstahl bleibt schließlich Diebstahl. Dass das Missachten und die Umgehung des Urheberrechts in Deutschland ein Volkssport geworden sind, dass diese als ein entschuldbares Kavaliersdelikt angesehen und als solches auch geduldet werden, das zeichnet den Zustand der deutschen Kulturlandschaft besser als die Produktionen der Urheber, die diese Kulturlandschaft erst zum Leben erwecken sollen. Die ebenso einfache wie schlimme Feststellung bleibt letztendlich übrig: Die deutsche Kulturlandschaft ist tot, allen Urhebern, die leben und Kulturgut produzieren, zum Trotz! Nur die radikale Durchsetzung des Urheberrechtes kann hier Abhilfe schaffen. Allerdings bin ich sehr pessimistisch, ob es jemals gelingen wird, den Künstlern in Deutschland zu dem gesellschaftlichen Ansehen zu verhelfen, das ihnen einfach zusteht und sich im Respekt vor ihrem Werk ausdrückt. Solange dieser Respekt nicht vorhanden ist, verdient Deutschland seine Kultur nicht! Denn was ist eine Kultur wert, die öffentlich verachtet und zugleich im Geheimen konsumiert wird? Das ist die zentrale Frage in diesem Zusammenhang und als Konsequenz sollten alle Urheber in einen unbefristeten Streik treten! Das würde das Bewußtsein dafür schärfen, was es bedeutet, in einer Gesellschaft ohne Kultur leben zu müssen − keine Medien verfügbar, kein Theater, kein Kino, keine Konzerte, nichts bliebe übrig als das nackte Dasein!


 

 

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