Sonette

 

Die Reihe der Sonette wird fortgesetzt, links das Original von William Shakespeare und rechts die Nachdichtung von Karl Kraus:

 

XXXIII

 

XXXIII

Full many a glorious morning have I seen,
Flatter the mountain tops with sovereign eye,
Kissing with golden face the meadows green;
Guilding pale streams with heavenly alchemy;

 

Oft sah den Morgen ich aus Finsternissen
sich glänzend über Berge überheben,
das Grün der Welt mit golnem Antlitz küssen
und seinen Strahl den bleichen Strom beleben.

Anon permit the basest clouds to ride,
With ugly rack on his celestial face,
And from the forlorn world his visage hide
Stealing unseen to west with this disgrace:

 

Doch dann, in niedrer Wolken Schmach verloren,
ließ er verdunkeln himmlische Gelände,
die Welt verleugnend, die zum Glanz geboren;
unselig hinzusinken in das Ende.

Even so my sun one early morn did shine,
With all triumphant splendour on my brow,
But out alack, he was but one hour mine,
The region cloud hath masked him from me now.

 

So sah ich einstmals meiner Sonne Blick
beglückten Morgens meine Stirn bestrahlen.
Doch ach! nur eine Stunde schien das Glück,
mit grauen Wolken mußt' ich es bezahlen.

Yet him for this, my love no whit disdaineth,
Suns of the world may stain, when heaven's sun staineth.

 

Wenn Himmels Sonne sinkt, soll die der Welten
drum nimmer ihren Hingang mir entgelten!

XXXIV

 

XXXIV

Why didst thou promise such a beautious day,
And make me travel forth without my cloak,
To let base clouds o'ertake me in my way,
Hiding thy brav'ry in their rotten smoke?

 

Weshalb verhießest du so schönen Tag
und ließest ohne Mantel mich ergehen,
da ich nicht dachte, daß heraufziehn mag
Gewölk, wo deine Sonne nicht zu sehen?

'Tis not enough that through the cloud thou break,
To dry the rain on my storm-beaten face,
For no man well of such a salve can speak,
That heals the wound, and cures not the disgrace:
 

Und hast du nun die Wolken auch verscheucht
und trocknest mir barmherzig das Gesicht,
das noch, vom nassen Sturm geschlagen, feucht:
das Mittel schließt die Wunde, heilt sie nicht.

Nor can thy shame give physic to my grief,
Though thou repent, yet I have still the loss,
Th' offender's sorrow lends but weak relief
To him that bears the strong offence's cross.

 

Mein Schmerz empfängt nicht Trost von deiner Scham,
und Mitleid wird das Leid nicht überleben;
daß du dich selbst nun grämst, kann meinen Gram,
der allzu schwer, nur schwache Lindrung geben.

Ah but those tears are pearl which thy love sheds,
And they are rich, and ransom all ill deeds.


 

 

 

Doch ach, die Perlen, die mir weint dein Auge -
welch schöner Schmuck, der mir zum Troste tauge!

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