Die Kunst im Handel der Zeiten

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Wie sehr ich mich auf mein Gefühl verlassen kann, wird mir immer wieder schmerzhaft bewusst. Meine Ankündigung, ich möchte kein Künstler mehr genannt werden, obwohl ich einer bin, bedarf einer kleinen Korrektur: Ich möchte kein Künstler mehr genannt werden, eben weil ich einer bin. Es widerstrebt mir zutiefst, es widerstrebt mir in jeder Faser, als Teil dieser Kunstwelt bezeichnet zu werden, die gar keine Kunstwelt ist, sondern ein Geschäft. Denn alles ist eine Frage des Geldes, das können reiche Sammler bestätigen, und immer öfter beschäftigen ordinäre Streitereien ums Geld die Gerichte. Der verstorbene Maler Immendorf hätte seine Freude an dem, was sich hier abspielt. Er war ein Experte, was den Kunsthandel betrifft, er wusste seine Werke mit einer Aura des Geheimnisvollen zu umgeben, er wusste von den Kopien und Fälschungen seiner Bilder, er hat das alles benutzt zum eigenen Nutzen. Jetzt, wo er tot ist, müssen die Gerichte herhalten.

Düsseldorf (ddp-nrw). Im Rechtsstreit um ein angeblich gefälschtes Werk des verstorbenen Düsseldorfer Künstlers Jörg Immendorff ist am Mittwoch vor dem Düsseldorfer Landgericht eine Entscheidung vertagt worden. Die Witwe des Malers, Oda Jauna, will erreichen, dass das Bild mit Namen «Ready-made de l´histoire dans Café de Flore» vernichtet wird. Ihren Angaben zufolge handelt es sich nur um eine Kopie. Das Original befindet sich laut Auskunft der Immendorff-Witwe in Neuseeland und hat einen Wert von 150 000 Euro.

Die beiden Besitzer der angeblichen Kopie beharren indes auf der Echtheit des Gemäldes. Es handelt sich bei ihnen um Galeristen, die das Bild von einem Mitarbeiter von Immendorff für umgerechnet rund 15 000 Euro erworben haben wollen.

Eine Gerichtssprecherin sagte, die zuständige Zivilkammer werde nun in einem sogenannten Hauptsacheverfahren über den weiteren Ablauf entscheiden. Bis dahin soll das Bild weiter eingelagert bleiben. Es darf auch nicht weiterverkauft werden.

Das Hauptsacheverfahren soll innerhalb der nächsten zwei Monate beginnen. Dabei soll ein Sachverständiger das Gemälde untersuchen und auf seine Echtheit überprüfen. Der Anwalt der beiden Galeristen sagte, Immendorff habe die Echtheit des Bildes persönlich bestätigt. Es sei allerdings auch möglich, dass Immendorff das Bild nicht selbst gemalt, sondern nur den Auftrag dazu erteilt habe. Dann würde ein Betrug vorliegen und man könne seine Witwe auf Schadensersatz verklagen.

Mit dieser ordinären, geldgeilen Kunstwelt habe ich nichts zu schaffen. Denn sie ist zutiefst unmenschlich und wirklich nur ordinär, keineswegs extraordinär, wie sie selbst behauptet, am Ehesten triffts noch extra ordinär. Sehnsüchtig wird auf den Tod eines Künstlers gewartet und dann beginnt eine Spekulation eines Ausmaßes, dessen sich die raffiniertesten Börsianer nicht zu schämen brauchten. Der Einwand vieler Künstler, so etwas betreffe doch nur den Kunsthandel, ist nicht stichhaltig. Denn diese Künstler sind es, die den Kunsthandel beliefern mit ihren Werken, sie sind es, die den Kunsthandel mit am Leben erhalten, sie sind mitverantwortlich für solche Zustände. Und das alles zum eigenen Wohle. Ich verstehe das besser, als man glauben sollte, ziehe aber gegen die damit verbundene Heuchelei zu Felde. Der Einwand, die Rechtfertigung: "Ich bin doch nur ein Künstler und als solcher machtlos", genau dieser Einwand verlangt von mir die Konsequenz, kein Künstler mehr zu sein. Die einzige Rechtfertigung, die ich gelten lasse, ist diese: "Ich muss doch auch leben." Aber auch hier verlange ich Ehrlichkeit und keine Heuchelei.

Allerdings sollte das komplette Bild gezeichnet werden. Der Kunsthandel ist der Meinung, dass ein Künstler nur in ärmlichen Verhältnissen und unter stetem Existenzdruck wirklich große Werke zu schaffen imstande ist, die ihrerseits die Konten der Kunsthändler ins Uferlose anwachsen lassen. Ein Vincent van Gogh hätte zu Lebzeiten ein klein wenig von dem Geld gebrauchen können, das seine Gemälde jetzt den Kunstbörsianern einbringen. Mit dieser Kunstwelt will ich nicht identifiziert werden. Sie strotzt vor Heuchelei. Sie ist zutiefst verachtenswürdig. Die Versuchung ist groß, den betreffenden Damen und Herren ein Nachhilfewochenendseminar mit dem Schwerpunkt "Rechnen und berechnen" anzubieten, unentgeldlich - versteht sich. Als Ort käme, wie von Zauberhand eingegeben, nur das schwäbische Dorf Deppenhausen in Betracht, auch das versteht sich von selbst. Nähere Nachforschungen belehren mich allerdings, dass Deppenhausen eigenartigerweise über kein Kongreßzentrum verfügt. Also muss ich diesen caritativen Plan aufgeben, möchte aber der lokalen Politik in Deppenhausen die Anregung hinterlassen, ein solches zu bauen, denn das würde sich in Deutschland kolossal rentieren, mehr noch als der ganze Kunsthandel zusammengenommen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Herr Immendorf verschiedene seiner Gemälde durch seine Mitarbeiter hat malen lassen und sie nur signiert hat. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Herr Immendorf einen ganzen Stab Mitarbeiter beschäftigt hat und von deren Tun nicht nur wusste, sondern dieses initiiert hat. Ein jeder mit dem nötigen handwerklichen Geschick konnte und die, die in seinem Dienst standen, mußten einen Immendorf malen. Der Meister hat dann nur signiert. Er hat den Kunstbetrieb ad absurdum geführt und diese Leistung ist durchaus anerkennenswert. Der Kunsthandel ist so verunsichert, wenn es sich um einen Immendorf handelt, dass selbst Gerichte es schwer haben werden, Licht ins Dunkel zu bringen, Hauptsacheverfahren werden auch nicht echt helfen. Immerhin verschafft das Ganze auch den Sachverständigen Arbeit und Einkommen, das ist sehr löblich, denn bei allem Sachverstand, der zweifellos vorhanden ist, das Ergebnis bleibt doch zweifelhaft. Ein Sachverständiger für Scharlatanerie wurde nämlich nicht benannt. Ich melde mich freiwillig als solcher und will das Gutachten ganz unentgeltlich erstellen. Ich stehe nicht im Verdacht, Partei zu sein, denn ich bin kein Künstler, eben weil ich einer bin und habe schon deshalb mit der Kunstwelt nichts zu schaffen, weil sie mit mir zu schaffen hat. Ich betrachte sie ganz unparteiisch von außen, während sie spürt, wie ich sie von innen aufrolle.

Das Entgelt für mein Gutachten spende ich den Nachfahren eines armen Künstlers, der lange nach seinem Tod, nämlich genau dann, wenn die Urheberrechte erloschen sind, zum Trendkünstler erklärt wird, sodass das gesamte Geld, was dann gemacht wird, in der Familie bleiben soll, wo es rechtens nicht hingehört, nämlich in der Familie der Kunstbörsianer, der Kunsthyänen, die einen Künstler nur deshalb zum Trend erklären, um unbekümmert abkassieren zu können.

 


 

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