Glossen

Stichwortsuche im "Roten Punkt":



Irgendwie hängt alles zusammen

Das eine Erfolgserlebnis jagt das andere:

Sydney (dpa) - Zum zweiten Mal binnen weniger Monate ist Papst Benedikt XVI. mit Missbrauchopfern katholischer Priester zusammengetroffen. Wenige Stunden vor seinem Abflug aus Sydney traf er zwei Frauen und zwei Männer, die in jungen Jahren von Geistlichen sexuell missbraucht worden waren. Er bedankte sich anschließend bei den 8000 Freiwilligen des Weltjugendtages, ehe er das Flugzeug zur Heimreise nach Rom bestieg.

Irgendwie hängt eben alles zusammen.

 



Kirche und Justiz bewähren sich


Boston (AP) Ein franziskanischer Mönch ist in den USA wegen Kindesmissbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Der New Yorker Priester hatte sich schuldig bekannt, in den siebziger und achtziger Jahren drei Jungen während mehrtägiger Ausflügen vergewaltigt zu haben. Die Haftstrafe von acht bis zehn Jahre wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Außerdem darf der heute 52-Jährige keinen Kontakt mehr zu den Opfern und zu Minderjährigen unterhalten. Das Gericht in Boston verurteilte den Mann am Dienstag außerdem dazu, sich als Sexualstraftäter registrieren zu lassen und ein GPS-Gerät bei sich zu tragen, das über seinen Aufenthaltsort Aufschluss gibt.

Nach Angaben der franziskanischen Bezirksverwaltung wurde der Mann bereits vor sechs Jahren aus dem aktiven Dienst entfernt. Zuvor hatte er als Lehrer an einer Highschool und als Gemeindepriester gearbeitet.

Dass die "hohe" Haftstrafe, eine Haftstrafe als Sühne für solcherlei Verbrechen fällt sowieso immer generell zu niedrig aus, zu allem Überfluß auch noch zur Bewährung ausgesetzt wurde, wird allen Beteiligten das erhabene Gefühl vermitteln, sich bewährt zu haben.

 



Schutzlos


Für ein vergleichbares Verbrechen drohen Zivilpersonen ganz andere Strafmaße:

Kiel (AP) Ein pädophiler deutscher Sextourist ist wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu sechseinhalb Jahren Gefängnis und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Landgericht Kiel sah es als erwiesen an, dass der 49-jährige Matthias O. Ende 2006 in Kambodscha mindestens vier Jungen im Alter von sechs bis 13 Jahren mehrfach sexuell missbraucht hat. Der aus Neumünster stammende und HIV-infizierte Mann sei zur Zeit für die Allgemeinheit gefährlich. «Er ist nicht therapiewillig», sagte der Vorsitzende Richter Stefan Becker.

«Er ist pädophil, dafür kann er nichts», sagte der Richter am Freitag in seiner Urteilsbegründung. Pädophilie sei eine Krankheit. Der Angeklagte könne aber sehr wohl etwas für seinen Umgang mit diesen Neigungen. Es liege kein Kontrollverlust seitens des 49-Jährigen vor: «Die Taten waren nicht spontan, sondern geplant.» Die Jungen waren teilweise zu Oralverkehr, teilweise zum Anfassen des Geschlechtsteils des Mannes gezwungen worden und auch selbst von ihm angefasst worden.

So sehr ich dieses Strafmaß begrüße, ausgestanden ist die Sache noch lange nicht. Denn es gibt noch die Verteidigung, die Revision einlegen wird. Sie möchte Pädophilie straffrei erklären lassen und die zukünftigen Opfer den Verbrechern schutzlos ausliefern.

O. ist bereits mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraft. Die Absicht, seinen pädophilen Neigungen demnächst im Ausland nachzugehen, hatte er sogar vorher angekündigt. Als die deutschen Behörden ihm daraufhin den Pass entzogen, reiste er Ende 2006 mit illegalen Papieren nach Kambodscha. Dort wurde er im Februar 2007 festgenommen und über Malaysia nach Deutschland abgeschoben.

Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft, die acht Jahre Haft und Sicherungsverwahrung gefordert hatte. Ein Sachverständiger hatte im Prozess attestiert, dass «mit hoher Wahrscheinlichkeit» von O. weitere erhebliche Straftaten zu erwarten seien.

Als strafverschärfend wertete das Gericht, dass O. seine Taten trotz einer bekannten HIV-Infektion beging. «Das zeigt, wie bedenkenlos der Angeklagte handelt», betonte Richter Becker. Auch wenn die Ansteckungsgefahr statistisch gering sei, entstehe doch eine besondere Angst bei den Opfern, wenn diese von der Infektion erführen.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Sie kündigte bereits Revision an, weil die Aussagen der kambodschanischen Zeugen für eine Identifizierung als Täter nicht ausreichten.

Insgesamt waren für die Verhandlung 14 Zeugen aus Kambodscha eingeflogen worden, darunter sieben Kinder. Die Aussagen einiger Kinder wertete das Gericht nicht, weil sie infolge langjähriger Klebstoffschnüffelei in ihrer Zeugentüchtigkeit zu stark eingeschränkt seien. Die anderen hielt das Gericht jedoch für glaubhaft.

Im Strafrecht spielt das Gewissen keine Rolle, sondern nur das Paragraphenrecht. Sich darauf berufend, können solche Verteidiger ruhig schlafen. Wenn sie sich durchsetzen und den Freispruch erreichen, machen sie sich damit der Mittäterschaft an zukünftigen Verbrechen schuldig. Das interessiert sie jedoch nicht, sie haben nur dem Recht zu seinem Recht verholfen, sonst nichts. Den Konflikt zwischen Recht und Gewissen spüren sie nicht, sie haben kein Gewissen, sie wollen nur recht behalten. Ich werde die Herren der Sicherungsverwahrung des "Roten Punktes" anheim stellen und lasse sie nicht mehr aus den Augen. Mit mir kann man sich nur darauf einigen, dass Kinder die Zukunft eines Landes sind und alleine schon deshalb eines besonderen Schutzes bedürfen. Ein Mörder zerstört ein Leben, indem er sein Opfer des Lebens beraubt. Ein Kinderschänder tut Schlimmeres: Er zerstört Leben, die noch ein ganzes Leben lang gelebt werden müssen!

 



Im Erwachsenenalter hört es aber nicht auf


Auch der Status hilft nichts, selbst wenn man Boxweltmeister ist. Der damit verbundene Glaube, man könne sich schlichtweg alles erlauben, erfährt einen gehörigen Dämpfer:

Stralsund (AP) Wegen sexueller Nötigung einer Hotelangestellten auf der Insel Rügen hat die Staatsanwaltschaft Stralsund Box-Weltmeister Artur Abraham angeklagt. Man warte auf die Entscheidung über Zulassung der Anklage seitens des Amtsgerichtes in Bergen, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde am Montag. Der 27-jährige Mittelgewichts-Champion nach IBF-Version soll im Juni während eines Trainingslagers in einem Hotel des Badeortes Binz im Saunabereich eine Masseurin sexuell belästigt haben. Die Anklage sei ihm bereits zugestellt worden, hieß es.

Immerhin erhält Herr Abraham so gratis Werbung. Er steht jetzt auch außerhalb des Ringes im Scheinwerferlicht und so manch einer denkt sich: "Potzblitz, er ist halt schon ein Teufelskerl!"

 



Ein Härtefall


Auch solche Härtefälle gibt es in Deutschland:

Der Bundesgerichtshof wollte vermutlich aus Prestigegründen an einer ersten Fehlentscheidung um jeden Preis festhalten und hat deshalb den Schutz der Kinder zur Seite geschoben. Die unteren Instanzen müssen zusehen, wie sie mit der entstandenen Situation klar kommen:

Dresden (dpa) - Ein als gefährlich geltender Kinderschänder ist nach Ablehnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch den Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig auf freiem Fuß. Er stehe nun per Gesetz unter Führungsaufsicht, sagte am Mittwoch eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Dresden.

Der 49-Jährige, der vom Landgericht Dresden als rückfallgefährdet eingestuft wurde, wird von einer sogenannten Aufsichtsstelle überwacht. Bestimmte Kontakte und Orte können ihm verboten werden. «Sollte er gegen die ihm erteilten Weisungen verstoßen, kann das zu einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren führen», sagte die Sprecherin.

Der Mann war 1999 wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tschechien verurteilt worden und hatte eine achtjährige Gefängnisstrafe verbüßt. Im April 2007 hatte das Landgericht Dresden - erstmals in Sachsen - die nachträgliche Sicherungsverwahrung für ihn angeordnet. Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Eine andere Kammer ordnete erneut die nachträgliche Sicherungsverwahrung für den Mann an, die der BGH nun endgültig aufhob.

Im Rahmen der Führungsaufsicht kann dem Mann jetzt auch eine Therapie verordnet werden. Das Landgericht urteilte 2007 aber, dass der Baufacharbeiter eine Therapie im Gefängnis «regelrecht boykottiert» habe. Die Staatsanwaltschaft warf ihm damals vor, er habe im Gefängnis angekündigt, «so etwas» wieder zu machen und überlegt, wie er einer erneuten Verhaftung entgehen könne. Die Verteidigung argumentierte hingegen, die Therapie habe unter falschen Voraussetzungen gestanden. Der Mann bat um eine zweite Chance.

Diese zweite Chance hat er also auf Kosten des Kinderschutzes bekommen, auf Kosten der Kinder, die so keine Chance haben. Der BGH war mir bis zu dieser krassen Fehlentscheidung durchaus sympathisch, das hat sich aber gravierend geändert. Ein jeder, der jetzt auf eigene Faust die Kinder schützt, denn dass eine Führungsaufsicht nichts hilft, dürfte klar sein, die Jugendämter beweisen das schließlich tagtäglich, ein jeder also, der jetzt auf eigene Faust die Kinder schützt, wird ungeachtet seiner edlen Motive selbst zum Straftäter gemacht. Die Sache verhält sich so: Zum Schutze der Kinder sind die juristischen Instanzen da, die aber nicht da sind, weil ihnen von der obersten juristischen Instanz die Hände gebunden wurden. Die Kinder bleiben auf der Strecke.

Auch das ist Deutschland, das Land der Richter und Lenker!

 



Erfreuliches


Dass es aus deutschen Landen aber auch durchaus Erfreuliches zu berichten gibt, beweist die folgende Nachricht:

Bad Segeberg (ddp-nrd). Zu den diesjährigen Karl-May-Spielen in Bad Segeberg sind bisher mehr Zuschauer gekommen als im Vorjahreszeitraum. Bereits in der 32. Vorstellung am Donnerstag wird der 100 000. Besucher des Stücks «Winnetou und Old Firehand» im Freilichttheater erwartet, wie die Veranstalter am Montag in Bad Segeberg mitteilten. Im vergangenen Jahr war der 100 000. Gast erst in der 39. Vorstellung begrüßt worden.

Der Jubiläumsgast soll als Geschenk den elfjährigen braunen Spanier-Wallach Pinot erhalten. Das Pferd ist noch bis zum 7. September im Freilichttheater im Einsatz. Der Gewinner kann anstelle des Pferdes auch den Gegenwert in bar mitnehmen.

Das ist einer der seltenen Fälle, wo ein Gewinner gewinnt. Wenn er den Geldbetrag wählt, kann er jede Menge Pferdeäpfel kaufen, die er sonst umsonst gehabt hätte. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Pferd!

 



Was Herr Walser sich vorstellen und nicht vorstellen kann

Köln (dpa) - Der Schriftsteller Martin Walser hält Bestechung durch deutsche Unternehmen bei der Auftragsbeschaffung für gerechtfertigt. Zudem sieht er Manager wie Heinrich von Pierer oder Klaus Zumwinkel zu Unrecht unter Beschuss.

«Jeder weiß, dass in vielen Ländern Großaufträge ohne Bestechung nicht zu bekommen sind», sagte der 81-Jährige dem Wirtschaftsmagazin «Capital» (Köln). Während in Frankreich «kein Hahn danach kräht, ob Unternehmen bestechen», sei es «deutsch, deutsch bis ins Mark», dass Manager hierzulande an den Pranger gestellt würden. Ausdrücklich verteidigte er im Zusammenhang mit der Schmiergeldaffäre bei Siemens den früheren Vorstands- und Aufsichtsratschef des Konzerns, Heinrich von Pierer: «Hier ist eine öffentliche Person in den Medien mehr oder weniger zur Hinrichtung präpariert worden, ohne dass wirklich etwas nachzuweisen ist.»

Mit «vermutungsverdächtigungsvirtuosen Formulierungen» sei über von Pierer berichtet worden, kritisierte Walser, der mit «Angstblüte» 2006 eine Satire um einen Finanzjongleur veröffentlicht hatte. Zum Fall Siemens meinte er zudem: «Meine Vermutung ist, so ein Unternehmen ist derart konstruiert, dass bis zu einer gewissen Ebene alle wissen, wir müssen bestechen, aber wir müssen für den Fall des Falles die Spitze davon freihalten. Dann ist das eine sehr solide, vernünftige Konstruktion.»

Auch den früheren Postchef Klaus Zumwinkel, der Steuern von rund einer Million Euro über Stiftungen in Liechtenstein hinterzogen haben soll, nahm der Schriftsteller in Schutz: «Der Staat sollte sich mal überlegen, warum so etwas passiert. Es gibt ja wenige Steuerflüchtlinge vom Ausland in die Bundesrepublik, oder?» Journalisten setzten in ihrer Berichterstattung bei den Lesern ein «wollüstiges Interesse» voraus: «Die wissen, es freut die Leute, wenn man zuerst sagt, das ist einer der am edelsten aussehenden Wirtschaftsmenschen und schau mal da: korrupt, korrupt, Sumpf, Sumpf.» Viele Menschen seien vom Neid befallen, wenn Manager das Hundertfache verdienten.

Geld sei das einzige Mittel zur Unabhängigkeit, meinte Walser gegenüber «Capital». Er selbst habe materielle Not immer gefürchtet. Statistiken über wachsende Armut in Deutschland wies Walser aber zurück: «Da bin ich absolut erkenntnisabweisend. Wenn es jetzt heißt, jeder achte Deutsche ist arm, und wenn der Staat nicht zuzahlte, dann müsste jeder vierte als arm bezeichnet werden - das kann ich mir nicht vorstellen», zitierte das Magazin den mit zahlreichen Literaturpreisen und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten 81- Jährigen.

Jetzt kann ich mir zu Recht vorstellen, was Herr Walser sich nicht vorstellen kann. Tief beruhigt nehme ich seinen Korruptionsroman "Angstblüte" zur Hand und hoffe, dass ich mir nach der Lektüre all das nicht mehr vorstellen kann, was Herr Walser sich sehr wohl vorstellen kann.

 



Wie Kunst und Kultur reduziert werden


Es bedarf eines Hobbykulturforschers, um einerseits den Etablierten einzuheizen und andererseits Kunst und Kultur auf die Ebene zu reduzieren, wo beide hingehören: Auf die Ebene heimlicher und verbotener Liebschaften nämlich.

Weimar (dpa) - Der Deutsch-Italiener Ettore Ghibellino nimmt es mit der geschlossenen Front der etablierten Goethe-Experten auf - und es macht ihm sichtlich Spaß.

Mit seiner gewagten These der heimlichen Liebe des Dichters Goethe zu seiner Weimarer Herzogin Anna Amalia sorgt der promovierte Jurist seit mehreren Jahren für Aufregung und Widerspruch bei den Literaturforschern. Sie kritisieren seine Thesen als unseriös und konstruiert. Der 1969 in Waiblingen (Baden- Württemberg) geborene Sohn italienischer Eltern sieht nichts Ehrenrühriges darin, wenn bis dato sichere Erkenntnisse durch neue Forschungen überholt würden. «Sie sind kein Dogma.» An diesem Freitag (25. Juli) will er in Weimar neue Brieffunde zu seiner These vorstellen.

«Es geht nicht darum, jemanden niederzuknüppeln, der anderer Meinung ist, das ging im alten Rom», sagt der 39-Jährige, der seit 2001 in der Klassikerstadt Weimar wohnt. Dort sei ihm bei der Betrachtung eines Gemäldes von Herzogin Anna Amalia auch die «Inspiration» gekommen: «Anna Amalia war Goethes Frau. Und Goethe war ihr ein Leben lang treu.» Seitdem forscht er - zusammen mit Verbündeten - in Archiven, sucht Widersprüche und Indizien für seine These.

Kunst und Kultur habe ihn schon immer interessiert, sagt Ghibellino.

Eben. Was mich an Kunst und Kultur immer interessiert hat, ist auch eine heimliche Liebschaft: Die zu Kunst und Kultur nämlich. Herr Ghibellino bleibt im Vorfeld stecken, in der konkreten Spekulation, die er für sich in Anspruch nehmen kann, weil er sie 'inspiriert' betreibt. Er unterhält ein mehr als eigenartiges Verhältnis zur Inspiration, die er doch glatt mit 'Tatsächlichem' verwechselt. Denn seine Tatsachen sind keine. Inwieweit dabei seine These eine gewagte ist, das ist völlig unerheblich, da es nur eine These ist. Ich unterstelle ihm ausdrücklich unlautere Motive für sein Handeln, von denen die Sensationsgier am Ehesten ins Auge springt. Auch ich bin kein Dogmatiker, sondern nur ein Kenner der Materie Mensch. Ich will ihn provozieren! Es muss eine befriedigende Tätigkeit sein, die Literatur über das vermeintliche geheime Liebesleben des Dichters zu ergründen und zu begreifen. Möge er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen! Dabei trifft es sich gut, dass er Jurist ist. Seiner soziologisch und kunsthistorisch fundierten und juristisch hieb- und stichfesten Untersuchung meiner heimlichen Liebschaften Kunst und Kultur sehe ich voller Spannung entgegen. Denn das war es doch, was ihn immer schon interessiert hat, oder etwa nicht, Herr Ghibellino?

Er sollte sich anstatt mit Goethes vermeintlichen Herzensangelegenheiten zur Abwechslung einmal mit einem Text Goethes befassen, der aus dem "Faust" stammt und auf ihn passt wie die Faust aufs Auge. Denn Goethe hat, genau wie Shakespeare, alles vorausgewusst:

Das Hexeneinmaleins

Du mußt versteh'n, aus Eins mach Zehn.
Die Zwei lass geh'n.
Die Drei mach gleich,
So bist du reich.

Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,

Mach Sieben und Acht,
So ist's vollbracht:

Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmaleins!


Auch, was Mephisto, dessen Meinung ich in diesem Zusammenhang überaus schätze, zum Hexeneinmaleins zu sagen hat, ist durchaus wert, hier zitiert zu werden. Es ist, als ob Mephisto sich direkt an Herrn Ghibellino wendet:

Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe meine Zeit damit verloren;
Denn ein vollkommener Widerspruch
Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu,
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narrn befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.


Für ein einziges Mal lasse ich mich verleiten, selbst eine These aufzustellen, die da lautet:

Herr Ghibellino sucht nicht nach Widersprüchen für seine These, sondern nur nach Indizien, aus denen sich seine These konstruieren lässt. Die Antithese liefere ich gleich mit: Nicht umsonst war Goethe Geheimrat. Dort, wo guter Rat teuer ist, ist geheimer Rat schlichtweg unbezahlbar!


 

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