Abenteuer Heimweg: Durch die Natur

Stichwortsuche im "Roten Punkt":



Der letzte Morgen in Caloré ist für uns angebrochen. Draußen regnet es leicht. Wir kleiden uns an, frühstücken und verabschieden uns traurig von Mae die erst mal hier bleibt.
Wir aber müssen nach Hause weil in zwei Tagen die Schule beginnt.

An den Teichen vorbei gehen wir im Gänsemarsch über einen Trampelpfad durch den Garten zur Straße, sofern man diese noch als solche bezeichnen kann:
Sie weist unzählige Querrillen auf, die durch die vielen starken Regenfälle entstanden sind und ist für Autos fast unpassierbar geworden.
Unsere Schuhe haben wir erst gar nicht angezogen, denn damit würden wir bei jedem Schritt steckenbleiben oder müssten unentwegt anhalten, um die Lehmballen abzukratzen.
Jeder hat mit sich selbst zu tun, um auf den Beinen zu bleiben, denn die weiche, lehmige Erde klebt nicht nur, sondern ist auch enorm glitschig!
Wir sind etwa 3 Km gelaufen und stehen vor dem ersten Hindernis: Eine große Brücke ist vom Hochwasser einfach weggerissen worden. Diese Brücken bestehen auch nur aus zwei oder drei dicken Baumstämmen über die quer Bretter genagelt sind oder einfach nur lose Balken gelegt werden. Je nachdem wie die Räder auf die Balken kommen schnappen die Enden davon hoch...Klappern tut es immer! Mitunter muss ein Autofahrer schon Mut haben, da darüberzufahren...Meistens steigt man zuvor aus und schaut sich die Brücke genauer an, bevor man das wagt.

Wir sind nun gezwungen, einen großen Umweg zu machen, um über den Fluss zu kommen.
Abwechselnd liegen wir im Dreck und rappeln uns wieder hoch. Unsere Kleidung sieht entsprechend aus!

Für Armin und mich ist es besonders ulkig, Fräulein von Maltzan zu beobachten, zumal sie selbst nicht weiß, ob sie weinen oder lachen soll. Wir laufen ihr meistens etwas voraus.
Da Armin keinen Käfig für Lata auftreiben konnte, trägt er sie meistens unter seiner Jacke und hält diese unten zu, damit Lata nicht rausfällt...
Da wir unter den gegebenen Umständen immer wieder aus dem Gleichgewicht geraten (es ist etwa wie überfrorene Nässe), gibt Lata ihre "Kommentare" dazu ab und kreischt ab und zu oder zwickt Armin durch das Hemd in die Seite.
Ich muss gestehen: Ich bin ein bisschen neidisch auf Armins neue Errungenschaft!
Armin weiß das auch zu schätzen und würde darum nicht mal im Traum daran denken sie mir mal zu überlassen. Das kann ich zwar verstehen, aber es hindert mich nicht daran, dennoch neidisch zu sein.

Fräulein von Maltzan hat ihren schönen, seidenen Rock über den Knien zusammengerafft und verknotet und sieht damit aus wie eine Inderin im Sumpfreis....
Sie schleppt sich mit ihrem silbernen Metallkoffer und den Büchern schwer ab und das tut mir ehrlich leid. Ich habe schon versucht, ihn mal zu tragen, aber dazu reichte meine Kraft nicht lange.
Ich finde am Wegrand einen dickeren Ast und habe eine Idee: Wir schieben den Ast durch den Griff des Koffers und tragen ihn von nun an zusammen.
Armin läuft vor uns her auf einen ziemlich steilen Hang zu, der an einer Brücke endet.
Armin ruft mir zu:
"Mal sehen, wer zuerst an der Brücke ist!"
Ich:" Das gilt nicht, du hast zu viel Vorsprung!"
Armin: "Du bist aber auch älter als ich!"
...und schon rennt er los, ehe ich noch den Koffer loslassen kann, den Fräulein von Maltzan ja erst einmal solange wieder allein tragen muss.
Ich starte übereilt und zu plötzlich und lande mit gegrätschten Beinen auf meinem Hosenboden im Matsch. Armin blickt im Laufen zurück und lacht schadenfroh auf:
"Laufen müsste man können!"
Ich bin wütend auf ihn und auf mein Pech und starre ihm nach. Er sieht sich noch einmal um, den einen Arm krampfhaft um seine Jacke geschlungen, damit Lata nicht rausrutscht...Sein Grinsen macht mich noch eine Stufe wütender!
Mir wird ganz warm davon, während ich mich mühsam aufrapple.
Ich habe keine Lust mehr auf ein Wettrennen und helfe unserer Lehrerin lieber weiter beim Tragen des Koffers.
Dabei lasse ich Armin jedoch nie aus den Augen.

Da passiert es: Armin hat sich wohl zu lange nach uns umgesehen, gleitet auf der glattgefahrenen Erdspur aus, wirft die Arme haltsuchend in die Luft und landet zuerst auf dem Hintern und dann auf dem Rücken. So rutscht er noch einen Meter weiter und gibt keinen Laut von sich. Lata ist aus seiner Jacke gefallen und flattert schwerfällig einige Meter voraus.
Nun sitzt sie mit aufgeplustertem Gefieder mitten auf der Straße und kreischt empört. Nun setzt sie sich in Marsch und versucht an den Straßenrand zu kommen, wo einiges Buschwerk steht. es sieht urkomisch aus, wenn sie auf dem Boden geht:
Ihre Zehen sind nach innen gerichtet, was auf einem Ast sehr vorteilhaft ist, aber hier stehen sie ihr im Wege. Also hebt sie je ein Bein vorsichtig und fast im Zeitlupentempo hoch und führt die Zehen über die des anderen Beines hinweg.

Bei diesem Anblick lacht Fräulein von Maltzan hell auf, während Armin immer noch auf dem Rücken liegt.
Er weiß noch nicht, warum hauptsächlich gelacht wird und fühlt sich vermutlich gedemütigt. Er hat Latas Flucht noch gar nicht bemerkt. Leid tut er mir sicherlich nicht. Wir sind bei ihm angekommen: Armin: "Brauchst gar nicht so blöd zu lachen!"
Ich:" Wieso denn? Hast Du vorhin nicht auch gelacht?"
Armin sieht mich empört an und es reizt mich immer wieder zum Lachen, wenn er versucht ein böses Gesicht zu ziehen...Das sieht einfach urkomisch aus. Dann sagt er im Brustton der Überzeugung: "Das ist ja wohl was Anderes!"
Lata nutzt derweil die Gelegenheit, nicht beachtet zu werden und es wird höchste Zeit, sie zu stoppen.
"Fang mal lieber Deine Lata wieder ein! Die flüchtet sonst in die Büsche!" Armin springt sofort auf um sie zu verfolgen und erreicht sie gerade noch, ehe sie im hohen Gras untertauchen kann.
Er packt sie ohne nachzudenken einfach mit der Hand am Rücken, womit sie offensichtlich nicht einverstanden ist:
Sie dreht kreischend ihren Kopf nach hinten und zwickt ihn kräftig in den Finger. Armin schleudert sie erschrocken von sich auf die Straße. Lata startet sofort wieder in Richtung Straßenrand.
Armin starrt empört auf ein kleines Blutströpfchen, das aus seinem Finger quillt und ist wütend auf Lata.
Ausnahmsweise hat er mal keine Einwände, als ich Lata auf meinen Finger nehme. Dort thront sie und wirft ihm einen aufsässigen Blick zu, die Kopffedern immer noch gesträubt...
Armin:"Blödes Vieh! Ich werd's dir schon noch zeigen!"
Er kommt auf uns zu und will sich offensichtlich an Lata rächen, die ich wiederum zu ihrem Schutz hoch über meinen Kopf halte.
Dort versucht sie flatternd das Gleichgewicht zu halten, während Armin wütend an mir herumzerrt.

Nun greift Fräulein von Maltzan beschwichtigend ein. Armin stapft ein paar Schritte weit weg und wirft ihr einen bösen Blick zu, als wolle er sagen: 'Pack' mich nur nicht an!'
Nun muss auch Fräulein von Maltzan lachen, weil Armin sein Gesicht wieder so komisch verzieht...Der böse, Angst einflößende Blick will nicht so recht gelingen. Er steckt die Fäuste in die Taschen und stapft wütend auf die Brücke zu.
Unser Wettlauf ist längst vergessen.

Da ich auf einer Hand Lata und in der anderen Hand meinen Wäschebeutel tragen muss, kann ich meiner Lehrerin erst einmal nicht mehr beim Tragen helfen. Den Stock nehme ich jedoch mit.
Fräulein von Maltzan beißt die Zähne zusammen und schliddert verbissen mit ihrem Koffer weiter. Immer wieder verliert sie beim Ausgleiten das Gleichgewicht; dann fliegt der Koffer für Augenblicke höher um dann mit voller Wucht zurückzufallen.
Ich kann nicht begreifen, wie sie es mit diesem Gewicht aushält! Ich kann den Koffer allein kaum anheben, obwohl ich mir einbilde, nicht gerade schwach zu sein.

Da meine Augen grundsätzlich immer rechts und links des Weges nach Früchten oder sonstigem Essbaren oder interessanten Dingen suchen, fällt mir ein merkwürdig weiß überzogener Busch auf. Ich untersuche ihn näher:
Unter einem feinen Gespinst sitzen hunderte von kleinen Raupen auf diesem Busch, dessen Blattwerk schon beinahe ganz von ihnen verspeist worden ist.
Ich rufe Fräulein von Maltzan um ihr meine Entdeckung vorzuführen, denn ich weiß, dass sie sich für alles Lebende interessiert.
Das ist mal wieder eine Chance, mich in den Vordergrund zu spielen, möglichst zu Armins Nachteil, wie ich hoffe.
Mit versteinertem Gesicht durch die Anstrengung kommt sie auch in meine Richtung. Einen Moment steht sie so vor diesem Wunder der Natur und bestaunt es von allen Seiten. Ich kenne sie sehr gut und beobachte, wie sich ihr Gesichtsausdruck langsam in einen Ausdruck der Begeisterung wandelt. Und dann kommt, worauf ich gewartet habe:
"Herrlich, und schau mal: Das Netz ist zum Schutz gegen natürliche Feinde von innen gewoben worden. Darunter können sie ungestört fressen und sich entwickeln. Die Natur weiß sich doch immer wieder zu helfen! Sie gehören bestimmt zu der Gattung..."
Woraufhin ein längerer Vortrag über Schmetterlingsarten und deren Raupen, über die verschiedenen Möglichkeiten der Verpuppung und manches mehr folgt. Alle Anstrengung und Plage ist für Momente völlig vergessen.

Neben meiner eigenen ehrlichen Liebe zur Natur sind es Fräulein von Maltzans Begeisterungsausbrüche, die mich immer wieder dazu reizen, ihr derlei Dinge zu zeigen. Der Eifer und ihre Begeisterung dabei erzeugen bei mir eine Mischung aus Belustigung, Verlegenheit und Neugier: ' Was kommt jetzt wieder`?
Ich bin sicher, dass jeder, der Fräulein von Maltzan einmal gekannt hat, diese typischen Merkmale ihres Wesens ewig in Erinnerung behält und bei einer auch nur angedeuteten Parodie augenblicklich wissen wird, um wen es geht.
Sie besitzt außerordentlich viel Geduld, Ausdauer und Liebe zu allem, was schön ist.
Sie hat jetzt ihren schweren Koffer und die vermutlich schmerzenden Arme wahrscheinlich vor Aufregung ganz vergessen. Sie strahlt und erzählt und erzählt. Um ihr umfassendes Wissen in Sachen Natur beneide ich sie wirklich!

Armin ist inzwischen weitergegangen und bei der Brücke angelangt. Er untersucht sie eingehend: Er nimmt lose Bretter hoch die eigentlich angenagelt sein sollten und hält sie uns entgegen.
Eine leichte Gänsehaut kriecht mir den Rücken hinauf und endet im Nacken. Ich habe das Gefühl als sträubten sich meine Nackenhaare wie bei einem nervösen Hund.
Wenn man diese Brücken aus nächster Nähe betrachtet, möchte man nie wieder mit einem Auto über sie fahren. Die Bretter und Balken sind allesamt faul und werden wohl mit einem der nächsten Hochwasser wegschwimmen.


12.10.2006, Brücke über den kleinen Fluß "Rio Alegre" in Rolândia



Ein leuchtendes Beispiel dafür ist das Bild dieser Brücke bei der man sich schon überlegt ob man drüber geht.
Hier fällt man allerdings nicht tief, während die Brücken in Caloré einige Meter über dem Wasser hängen.

Armin möchte jetzt seine Lata wieder nehmen, die inzwischen ganz ruhig auf meiner Hand sitzt. Wohl oder übel muss ich ihm den Vogel zurückgeben, um erneuten Streit zu vermeiden.
Er setzt sie auf seine Schulter, wo sie Halt suchend flattert, weil er sich zu schnell bewegt. Man kann ihr ein gewisses Unbehagen ansehen: Ihre Federchen auf dem Kopf kräuseln sich schon wieder verdächtig! Jetzt dringt ein schnarrendes Geräusch aus ihrer Kehle, Das Weiße in ihren Augen tritt hervor und dann schnappt sie ein zweites Mal heute mit ihrem kräftigen Schnabel zu: Diesmal in Armins Ohr!
Armin schlägt ihr reflexartig mit der flachen Hand auf den Kopf. Lata reckt sich daraufhin stolz hoch, plustert ihre sämtlichen Federn auf und schüttelt sich einmal kräftig. Danach sitzt sie still da, und Armin setzt seinen Weg fort.
Sie kann sich auf der glatten Jacke aber nicht so recht halten, flattert nach einigen Metern wieder davon und macht eine zweite Landung mit dem Schnabel im Matsch. Nun endlich entschließt sich Armin, sie auf den Finger zu nehmen und scheint damit endlich das Richtige getroffen zu haben: Lata bleibt dort ruhig sitzen und schielt mit schiefem Kopf nach jedem Vogel der über uns hinweg fliegt. Ihre kalkigen Füße umschließen dabei fest Armins dünne Finger...

Jetzt kann ich wieder beim Tragen des Koffers helfen.
Dennoch kann ich es nicht lassen...: Meine Augen wandern in jede Kaffeereihe um eventuell dort wachsende Melonen zu entdecken. Aber auch Gurken, Tomaten oder andere leckere Sachen wie Erdnüsse oder junger Reis wären nicht zu verachten!
Immer wieder verschwinde ich kurz in einer Plantage, nicht ohne mich vorher zu vergewissern, dass niemand in der Nähe ist!
Fräulein von Maltzan nutzt diese Augenblicke um zu verschnaufen.
In meinem Magen hat sich inzwischen ein buntes Durcheinander von jungem Reisgrün, essbaren Kräutern, ausgegrabenen, noch milchigen Erdnüssen und zwei kleinen Maiskolben samt Schalen eingefunden. Meine Lehrerin schüttelt ständig den Kopf und äußert Bedenken darüber, ob sich das wohl alles verträgt.
Armin hofft immer noch auf eine reife Melone. Er ist etwas anspruchsvoller als ich und hat Sonderwünsche...

Langsam beginnt es wieder leicht zu regnen. Wir sind am Wald angekommen und vorläufig unter dem Blätterdach über der Straße etwas geschützt. Auf der Straße haben sich überall große, teils tiefe Pfützen gebildet, in die man z.B. auch nicht einfach fahren darf, ohne vorher zu prüfen, wie tief sie sind... Wir waten durch sie hindurch und kommen mit "roten Stiefeln" bis zu den Knien wieder heraus. Das Wasser ist eine willkommene Gelegenheit, unsere Füße von Lehm zu befreien, der unsere Zehen weit auseinanderspreizt.
Auf einer etwas weniger nassen Stelle am Straßenrand entdecke ich eine langhaarige Raupe, die den vierten Gang eingelegt zu haben scheint, um möglichst schnell über die freie Fläche zu kommen. Ich kenne diese Raupen nur von unseren Himbeersträuchern. Wovon sie sich hier im Wald ernähren, ist mir nicht bekannt.
Sie sind nicht ganz ungefährlich, wenn man sie berührt bzw. wenn sie sich bedroht fühlen. Dann scheiden sie durch ihre etwa 2 cm langen, hellbraunen Haare ein Sekret aus, das auf unserer Haut wie glühende Kohlen brennt.
Aus Erzählungen von Pai weiß ich, dass sein Vater mal schlechte Erfahrungen mit solch einer Raupe machte und einige Tage danach noch an Schmerzen litt, die denen einer Brandwunde glichen. Dennoch habe ich keine Scheu, diese Raupe auf meine Hand kriechen zu lassen. Sie tut dies ja von sich aus und fühlt sich nicht bedroht. Mehrmals muss ich meine Hand drehen, weil sie sehr schnell kriecht und somit einige Runden auf meiner Hand dreht, bis ich sie im sicheren Buschwerk absetzen kann. Ich bin aber nun doch froh, sie unbeschadet wieder los zu sein und wir beobachten, wie sie eiligst weiterläuft... Vermutlich ist sie auf der Suche nach neuem Futter oder einem geeigneten Ort, um sich zu verpuppen, denn sie ist ein sehr großes Exemplar.

Hinter der nächsten Kurve im Wald dringen die Geräusche eines nahenden Reiters an unsere Ohren. Das Getrappel ist zwar etwas gedämpft durch den feuchten Boden, aber es hallt dennoch von den Bäumen wieder. Ein vermummter Reiter taucht auf. Er sitzt hoch auf seinem Pferd. Die Eingeborenen reiten meistens auf den landesüblichen, ungepolsterten Sätteln. Um das erträglicher zu gestalten, legen sie viele, ungeschorene Schafsfelle (pelegos) übereinander auf den Sattel. Meistens sind diese rot oder orangefarben eingefärbt.
Der Reiter kommt heran und erst jetzt erkennen wir, dass es eine Frau ist, die schüchtern, aber freundlich grüßt.
Ihre flache, feine Nase und die etwas schrägstehenden Augen verraten uns, dass es eine Indianerin ist.
Es ist ungewöhnlich eine Frau zu Pferde zu treffen, denn die Mulattinnen reiten nicht und Indianer gibt es nicht mehr viele in dieser Gegend.
Unsere Augen folgen ihr neidvoll ob ihres weichen Thrones und des Pferdes...

Ein Flattern und Rascheln am Waldrand lenkt mich von der Reiterin ab. Wieder einmal macht Fräulein von Maltzan eine Zwangspause, weil ich weglaufe. Ich gehe den sich bewegenden Pflanzen nach, in denen sich irgendein am Boden hüpfender Vogel bewegt. Am Ende entdecke ich einen grau gesprenkelten, jungen Vogel. Er ist annähernd ausgewachsen und gibt Geräusche von sich, die wir alle noch nie gehört haben. Diese Vogelart hat noch keiner von uns jemals gesehen. Von den Winkeln des Schnabels aus stehen kleine, borstige Haare in Büscheln weg, ähnlich wie bei Schwalben.
Er gibt Laute von sich die sich anhören wie:"Schnippschnapp". Sie entstehen dadurch, dass er beide Schnabelhälften hart aufeinander klappt. Weit und breit ist kein anderer dieser Vögel zu sehen, obwohl wir länger dort stehen und horchen und schauen.

Das Vögelchen scheint geschwächt zu sein und die Federn sind nass und ungepflegt. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es verlassen wurde, was auch Fräulein von Maltzans Meinung ist. Ich beschließe darum, ihn zu fangen. Es wird eine anstrengende Jagd durch das tropfnasse Unterholz, wobei meine Bluse im Dornengestrüpp hängen bleibt und einen langen Riss bekommt.
Endlich bekomme ich ihn zu fassen, wobei er mir zum Dank gleich heftig in den Finger pickt. Er will auch gar nicht mehr loslassen. Vermutlich hält er meinen Finger für einen fetten Wurm?
Fräulein von Maltzan, ganz in ihrem Element, meint, es müsse ein Insektenfresser sein. Das schließt sie aus der Tatsache, dass er diese Haarbüschel am Schnabel besitzt. Völlig erschöpft bleibt er auf meiner Hand sitzen und macht keine Anstalten wegzufliegen.
Jetzt bin ich als alte Vogelmama, (ich habe schon einige Vögelchen großgezogen) vollauf damit beschäftigt, Futter für das kleine Wesen zu suchen und Fräulein von Maltzan trägt ihren Koffer allein und klaglos weiter.
Noch sind wir im Wald und ich fange jede Spinne und jeden Käfer, der sich nicht schnell genug aus dem Staube macht.
Mein "Schnippschnapp" verschlingt alles. Nur eine Raupe, die ich ihm anbiete verschmäht er. Sie ernährt sich von einer hoch giftigen Pflanze und ist darum vermutlich selbst giftig. Der Vogel begutachtet sie und schüttelt sich... woher weiß so ein kleines Tier das??
Ich bin so damit beschäftigt, Insekten zu sammeln, dass ich meinen eigenen Hunger ganz vergessen habe. Wie sich das für eine brave Vogelmutter halt gehört, denke ich nur noch an das Junge, dem ich spontan den Namen "Maxi" gebe.




Armin hat einen grünen Maiskolben gefunden, gepellt und Lata auf ihn gesetzt. Sie sitzt darauf und knabbert ein Korn nach dem anderen genüßlich heraus.




Ihr Schnabel ist schon dick belegt von den dünnen, weichen Schalen. Dies scheint sie zu stören, denn sie schüttelt sich auf einmal heftig, sodass Armin das klebrige Zeug im Gesicht und in den Haaren hängen bleibt. Das, was sie nicht los wurde, versucht sie nun noch an Armins Hand abzureiben. Armin wischt sich entrüstet und zugleich belustigt das klebrige Zeug aus dem Gesicht. Es hinterlässt jedoch überall weiße Flecken von Maisstärke.

So sind wir denn neben der Aufgabe auf den Beinen zu bleiben alle schwer beschäftigt: Fräulein von Maltzan mit ihrem schweren Koffer, Armin mit seiner Lata und ich mit meinem Spinnen verschlingenden Vielfraß. Keiner sagt etwas...nur das Knatschen unserer nackten Füße im Matsch ist zu hören...und mein Maxi, der nach wie vor ständig fordernd mit dem Schnabel klappert. Es hört nicht auf zu regnen und wir sind alle völlig durchnässt. Die Kleider kleben auf uns wie eine zweite Haut.

Der Wald liegt nun hinter uns und wir haben wieder eine Kaffeeplantage rechts und eine Weide links von uns, auf der einige Zebukühe friedlich grasen. Die Geräusche die jetzt an unsere Ohren dringen, müssen schon von der nahen Ortschaft Caloré kommen.
Das Schlimmste haben wir bald hinter uns...gut 13 Km durch den Umweg!
Die Geräusche werden immer deutlicher...: Hähne krähen, Motorengeräusche, Stimmen...wir nähern uns wieder der Zivilisation...



 

 

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