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Szenen eines Dramas
Des Weiteren gibt es ab diesem Heft gelegentlich "Szenen eines Dramas" zu lesen, es betrifft vorläufig eine Materialsammlung, die vielleicht einmal zu einem großen Drama führen wird. Durch den Verzicht auf spezifisch theatrale Mittel wie etwa einer Bühnenchoreographie bekommt das theatrale Element Gestalt auf dem Gebiete des subtil Psychologischen, des Verdeckten, das noch extra übertüncht wird durch einerseits die Großsprecherei der Beteiligten, die ihren Schein zu wahren haben und andererseits der daraus resultierenden Gleichgültigkeit gegenüber den Erscheinungen des Lebens. Auf diese Art sind diese Szenen für die satirische Betrachtung ihrer Objekte prädestiniert, die zu Grunde liegende Ernsthaftigkeit sollte aber immer im Auge behalten werden." In diesem Drama, ebenso wie in den "Zauberlehrlingen", wird man mich als Personage nicht antreffen, nicht einmal ansatzweise. Selbstporträts liegen mir nicht. Ich ziehe die Rolle des "spiritus rector" bei weitem vor und führe meine Personagen gerne dahin, wo sie hingehören, nämlich ad absurdum. Die tägliche Erfahrung lehrt, dass ich dazu nichts anderes tun muss als Augen und Ohren offen zu halten. Indem ich meine Personagen gestalte, erlaube ich ihnen, sich unbekümmert selbst zu gestalten. Mit einem Auge schielen sie nach mir, der ihnen immer wohlwollend zunickt, mit den beiden anderen Augen schielen sie nach ihrer Nase, also ihrer Stellung in der Welt. Durch sie sprechen zu lassen, behalte ich mir das Recht vor, recht zu behalten.
Er: "Aha! Du willst also schon wieder einen Disput provozieren! Du glaubst doch selber nicht, dass deine Vorträge langweilig sind?" "Ich weiss, dass sie nicht langweilig sind, aber eben deshalb dich langweilen." "Hm. Deine Vorträge sind also nicht langweilig, aber weil sie mich immer langweilen, bin ich langweilig?" "Du, Schatz, das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne keine Langeweile. Keine Ahnung, was das ist." "Jaja, mein Intellektueller hat keine Ahnung, was das ist. Endlich gibst du mal zu, dass es Dinge gibt, von denen du keine Ahnung hast. Toll ist das, echt toll, ich liebe das, echt wahr!" "Reg dich nicht künstlich auf. Komm mal runter von deinem Trip!" "Und ausserdem musst du nicht so tun, du kennst sehr wohl Langeweile, darf ich dich ganz vorsichtig an den letzten Monat im Bett erinnern?" "Du, das ist was anderes. Ich bin etwas lustlos im Moment, den profanen Dingen des Lebens gegenüber etwas überdrüssig." "Soso, den profanen Dingen des Lebens gegenüber etwas überdrüssig. Dass ich nicht lache! Alles Profane ausser dem Sex lebst du ungeniert und maßlos aus, Essen, trinken und so weiter. Also: Lustlos ist wirklich gut! Und was den Trip betrifft, komm du mal von deinem runter, denn dann wärest du kein geistiger Emporkömmling mehr, sondern nur noch das, was du wirklich bist: Ein geistig Heruntergekommener." "Lass mich nicht lachen! Wie kommst du denn auf die Idee? Geistig emporkommen kann man nur zu jemandem, der geistig über einem steht, geistig herunterkommen muss man zu allen, die geistig unter einem stehen." "Siehst du, du kannst gar nicht anders, als Vorträge zu halten, das meine ich ja. Und was das Profane betrifft: Was Profaneres als ein solcher Spruch fällt dir wohl nicht ein. Aber das war immer schon deine Art, du nimmst niemanden ernst, nicht einmal dich selbst und begnügst dich damit, den großen Michel zu spielen. Soll ich dir mal was sagen? Du hast recht, ein geistig Heruntergekommener bist du nicht, ich wüsste nicht, von wo du heruntergekommen wärst! Ich bestreite ja gar nicht, dass du viel weisst, schließlich hast du ja lange studiert, ich bezweifle aber, ob du auch viel siehst. Mit anderen Worten, erkläre mir doch bitte, wozu dein Wissen dienen soll." "Das kannst auch nur du fragen. Die Menschheit entwickelt sich durch Wissen und Erfindergeist weiter, das sollte selbst dir klar sein." "Immer und ewig dein arroganter Spruch, mir ist schon klar, dass das so ist. Ich fragte dich aber nach etwas ganz Spezifischen: Wozu dient dein Wissen, dein ganz persönliches Wissen? Du willst doch nicht etwa behaupten, dass du der Menschheit weiterhilfst?" "Du, das ist sowieso schwer zu sagen, das entscheiden spätere Generationen. Wir im Verlag tun unser Bestes, den Menschen Wissen zu vermitteln, das ist doch nichts Neues. Du jedoch sitzt nur zuhause, tust nichts, ausser dem Haushalt natürlich - ich gebe ja zu, dass das nicht Nichts ist - und lebst auf meiner Tasche....."" .....die aus der Tasche eurer Leser gefüllt wird. Was willst du eigentlich damit sagen?" "Nichts Besonderes an sich. Nur dass du dich an der Entwicklung der Menschheit nicht beteiligst. Jedenfalls nicht direkt." "Und du tust das, weil du als hochstudierter Philologe in einem kleinen Lektorat verkümmerst? Welchen Aspekt entwickelt ihr denn eigentlich an der Menschheit? Auch ihr bewegt euch doch auf ausgetretenen Pfaden, klagst du immer." "Diese Diskussion führt zu nichts, ein Philologe und eine Phobiologin, scheint es geradezu; du willst doch nur deinen bescheidenen Platz im großen Räderwerk aufwerten, mehr nicht. Und was wir für die Menschheit tun? Das weisst du nur allzu gut, wir stehen offen für neue Entwicklungen und verbreiten die. Das weisst du haargenau!" "Dass ich nicht mehr in meinem Beruf als Biologin arbeite, macht mich noch lange nicht zu einer Phobiologin. Wieso meinen Platz aufwerten? Das habe ich weit weniger nötig als du, das sag ich dir! Du bist manchmal das Allerletzte, in deiner Arroganz, die sich auf nichts anderes gründet als deinen Status. Euer Leserkreis sind einige Fachleute, damit hat es sich, du arroganter Schnösel! Manchmal hasse ich dich richtiggehend!" "Nur zu, tu dir keinen Zwang an. In solchen und leider sehr häufigen Sinnlosdiskussionen beruht das durchaus auf Gegenseitigkeit. Weisst du, das Schönste an dir kommt dann zum Vorschein, wenn du dich künstlich aufregst. Das solltest du öfter abends tun. Dann hätten wir weniger Probleme miteinander, oder?" "Sei dir da bloß nicht so sicher!" "Oh Gott, da fällt mir grade ein, ich habe einen Termin gleich!" "Ja, wie immer, wenn es schwierig wird, dann fällt dir das plötzlich ein. In welche Kneipe gehst du denn und wen triffst du?" "Du, es ist was Geschäftliches, das ist für dich nicht interessant." "Jaja, wie üblich. Ich packe vielleicht meine Sachen, wenn du weg bist und verschwinde hier!" "Achja, ich weiss, das sagst du immer in einer solchen Situation und wenn ich dann neugierig zurückkomme, dann sitzt du mit verheulten Augen in der Küche und beklagst dein Elend. In den Momenten wirds mir beinahe schlecht, das sag ich dir!" "Ok, wie du meinst, du wirst schon sehen!" "Ein Häuflein Elend, ja, das werde ich sehen. Also, bis später mal."
"Du Xaver, wos wuist denn du in Rom?" "I will dem heilige Vadder sein Seng!" "Moinst, dass ern zaigt?"
Ein Komponist: "Sagen Sie mal, was macht die hohe Kunst des Tönesortierens?" "Wie oft soll ich Ihnen denn noch erklären, was Komponieren bedeutet?" "Sie brauchen mir gar nichts zu erklären, Ihre Ausreden kenne ich! Sie tun immer gerade so, als ob Ihre Musik eine Sprache ist." "Das ist Sie auch, was wissen Sie denn davon?" "Wenn das stimmen sollte, dann ist es eine Fremdsprache, die niemand versteht, das sage ich Ihnen!" "Jaja, das sagen ausgerechnet Sie. Wer versteht denn Ihre Bücher eigentlich? Wenn Sie mich fragen, Sie schreiben wirres Zeug, damit die Leute denken, dass sich dahinter tiefere Wahrheiten verbergen. Mit anderen Worten: Sie führen die Leute an der Nase....." ".....herum. Ich weiss, wie Sie denken." "Nein, nein, ich wollte sagen: an der Nase hinters Licht, Sie Schlaumeier." "Das ist typisch für Sie und Ihrer trockenen, etwas tuberkulösen Humor. Fahren Sie mal nach Davos in Kur, die Höhenluft wird Ihnen gut tun. Andererseits, Sie brauchen keine Höhenluft, Sie schweben immer in höheren Sphären." "Achja?" "Ja, sicher doch! Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie befänden sich nicht andauernd in einer finaziellen Notlage. Das kommt dadurch, dass Realität Ihnen fremd ist." "Ich lebe meiner Kunst, während Sie Ihr Fähnchen in den Wind hängen und absahnen, wo sich nur die Gelegenheit bietet. Sie schreiben, wie Sie sprechen, während ich spreche, wie ich schreibe. Der Ewigkeitswert ist für Sie kein Streben und deshalb nicht erstrebenswert." "Nun ja, dumm sind Sie nicht, das muss ich Ihnen lassen. So hin und wieder bringen Sie etwas genau auf den Punkt. Das erklärt mir aber noch lange nicht ihr überzogenes Selbstverständnis." "Wie kommen Sie bloß auf überzogenes Selbstverständnis? Sie wollen wohl von sich selbst ablenken? Denn eine überzogene Figur sind doch eher Sie." "Hören Sie, das stimmt so nicht, das wissen Sie ganz genau! Wir leben in einem Zeitalter der Selbstdarstellung, inwieweit eine solche aber berechtigt ist, das interessiert doch niemanden. Man muss dafür sorgen, dass die Leute auf einen hereinfallen." "Und das finden Sie normal?" "Ach, wissen Sie, das ist ja geradezu der Kniff an der Sache: Jeder weiss, was nicht normal ist, aber keiner weiss, was normal ist!" "Achso, ja, ich verstehe, was Sie meinen, hm, interessanter Blickwinkel, den Sie da haben." "Das ist mehr als nur ein Blickwinkel, das ist eine Philosophie geradezu. Ein way of life, auf gut deutsch gesagt. Wie sehen Sie das denn?" "Ich kann Ihnen an sich nur recht geben, kann Ihren Standpunkt aber dennoch nicht mit dem meinigen vereinigen. Dazu fühle ich mich zu sehr Künstler, mit Verlaub gesagt." "Jaja, die Sonderstellung. Sie sind mir schon einer, Sie hätten es weit bringen können, wenn Sie nur gewollt hätten. Sie sind sozusagen eine Inspiration für ein Buch, toll geradezu!" "Sie schmeicheln mir aber. Täuschen Sie sich nicht, nichts ist so, wie es scheint." "Was meinen Sie?" "Unter uns gesagt und geschwiegen, ich lebe nicht meiner Kunst, sondern meinem sozialen Status. Als Komponist bin ich ein zwar interessanter, aber dennoch komischer Kauz und habe meine Ruhe in dieser Welt. Ich bin ein sehr genügsamer Mensch und kann von wenig Geld rumkommen." "Das haben Sie mir voraus, das kann ich nicht. Sie sind also auch ein verkappter Schauspieler?" "Genau so wie Sie, ja. Dann haben wir also doch viel gemeinsam. Das freut mich, zu hören." "Kommen Sie, seien Sie kein Frosch, das muss gefeiert werden, ich lade Sie ein. Mögen Sie Rotwein?" "Gerne, wir gehen ins Künstlercafe und spielen uns auf wie die Könige, was sage ich, wie die Kaiser." "So ist es, wir bündeln unsere Fähigkeiten, Sie verhelfen mir mit Ihrem Humor zu mehr Ansehen und ich Ihnen mit meiner Freigebigkeit. Das wird ein toller Nachmittag!"
Herr Zwei:
"Was sagen Sie denn dazu?" "Wozu? Was meinen Sie?" "Na, die Sache mit den Rauchern, besser gesagt, die Sache gegen die Raucher." "Ach so, das, na ja, das ist mir egal, solange die nicht nachts einen aus dem Bett schmeißen und das ganze Haus nach Tabaksspuren durchsuchen." "Wenn das so weiter geht, machen die das glatt, die erklären endlich und letztendlich das Nikotin zur Droge." "Meinen Sie, die haben deshalb die Vorratsdatenspeicherung und die Onlinedurchsuchung durchgedrückt?" "Möglich wärs schon, wenn Sie mich fragen, sehr gut möglich sogar, wenn die niemanden mehr zum Entmündigen haben, ich meine, weil der mündige Bürger halt mündig ist……." "Und deshalb nicht auf den Mund gefallen ist , meinen Sie?" "Naja, das kann ich nicht beurteilen. Die Leute haben einen großen Mund, bis sie mal in die Zwickmühle geraten, wie die dann reagieren, das wage ich mir nicht vorzustellen." "Ich weiß nicht, ich stelle mir grade vor, dass man bald nur noch zu Hause rauchen darf, aber nur, wenn man nicht zuhause arbeitet, da rauchen am Arbeitsplatz ja verboten ist. Also, die armen Hausfrauen, die armen Künstler, was meinen Sie, wozu wird das führen?" "Wenn Sie mich fragen, das führt direkt in die Anarchie….." "…..die denen da oben dann den Grund liefert, die Freiheit zu unterdrücken, mit allen Mitteln, deren sie fähig sind." "Meinen Sie wirklich, denen geht es darum, denen stinkt die Freiheit so sehr, dass sie zu so etwas imstande wären?" "So wahr ich hier stehe, dazu sind die fähig. Sie brauchen ja jeden Umweg ums Verfassungsgericht herum, da haben sie diesen perfiden Plan entwickelt." "Ach so, ja natürlich, wenn ein Raucher eine Verfassungsklage einreichen will, muss er sich erst vom Gesundheitsamt untersuchen lassen und die bescheinigen ihm dann….." "…..dass er nicht in der Verfassung ist, eine Verfassungsklage durchzuziehen, weil er ja schließlich raucht." "Tja, raffiniert, das muss man ihnen lassen, was meinen Sie, ob die Minister heimlich rauchen?" "Da bin ich mir sicher, die machen eh alles heimlich! Kennen Sie den schon?" "Welchen?" "Na, den: Unser guter Biedermann
"Sehr gut, was sage ich, köstlich geradezu! War das auf die Minister gemünzt?" "So können Sie das sehen, ich wills nicht unbedingt behaupten, heutzutage weiß man schließlich nie." "Ich kenne da auch einen, ist aber nur ein Zweizeiler." "Na, raus damit, Hauptsache, er ist gut!" "Nach Siegfrieds Mord trank Hagen Saft,
"Hach, wie schön, wo haben Sie denn den her?" "Ob Sies glauben oder nicht, der ist vom meiner Oma, glaube ich wenigstens, vielleicht hat sie den ja auch irgendwo her." "Sie sind gut, sagen Sie mal! Ich weiß, wo der herstammt, der stammt von einer Buchhändlerin aus Biberach, wenn ich nicht irre, wars Biberach." "Das kann schon sein, sie hat mir den letztens mal erzählt, ich dachte, der sei von ihr." "Warum dachten Sie das?" "Weil sie nicht gelacht hat." "Ach so, ja, das leuchtet ein. Sagen Sie, Sie haben nicht zufällig eine Zigarette dabei?" "Doch schon, aber nicht auf der Strasse bitte. Ich übe schon mal für den Ernstfall." "Aha, so einer sind Sie also, Sie lassen sich einschüchtern." "Nein, keineswegs, ich bitte Sie! Aber wer will denn schon auffallen heutzutage? Ich nicht, das sage ich Ihnen." "Ach, papperlapapp! Sie fallen doch nicht auf. So unscheinbar, wie Sie aussehen, könnten Sie sogar nackt auf der Straße rum rennen und keiner würde es bemerken, na ja, außer der Polizei vielleicht, aber sicher ist das nicht, die sind auch nicht mehr, was sie mal waren." "Tja, wenn Sie das sagen, Sie müssen es ja wissen." "Wissen Sie was, es ist nach fünf, gehen wir zu mir auf ein Bier….." "Oder deren mehrere." "Oder deren mehrere. Wenn Sie sich genug Mut angetrunken haben, können Sie das mit dem nackt auf der Straße rum rennen ja mal probieren." "Ja sicher, wenn ich dann noch rennen kann, gerne."
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