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Aphorismen
(2) Was anderen nicht einfällt, fällt mir ein. Deshalb ist der Ausruf: "Was fällt dir ein!" nur zu berechtigt.
(3) Ich habe meine Trinkgewohnheiten auf Sauermilch umstellen müssen, da mir beim Stöbern in den Nachrichten ganz ohne mein Zutun allzu oft die Milch sauer wird.
(4) Ich warte immer geduldig, bis ein Sturm sich gelegt hat, denn die Windstille danach entfacht meinen Orkan.
(5) Auch ich brauche gelegentlich eine Pause, um mich von der Kloake der Zeit reinzuwaschen.
(6) Mein persönliches innerliches Ärgernis regt sich immer erst dann, wenn ein Faktum seiner ersten Emotionalität entkleidet ist und nackt auf meinem Seziertisch liegt.
(7) Meine Satire unterscheidet sich von der landläufigen, die von der Übertreibung und Überspitzung lebt, dadurch, dass meine Satire von der Untertreibung lebt und gerade darum, sich wohlig räkelnd, unbekümmert gedeiht.
(8) Selbstporträts liegen mir nicht. Ich ziehe die Rolle des "spiritus rector" bei weitem vor und führe meine Personagen gerne dahin, wo sie hingehören, nämlich ad absurdum.
(9) Gerade weil ich meine Personagen gestalte, erlaube ich ihnen, sich unbekümmert selbst zu gestalten.
(10) Ein größeres Missverständnis gibt es kaum als dieses: Geistig emporkommen kann man nur zu jemandem, der geistig über einem steht, geistig herunterkommen muss man zu allen, die geistig unter einem stehen.
(11) Nicht selten wechselt ein Biologe seinen Beruf und wird Phobiologe.
(12) Eben weil die neue Musik keine universelle Sprache mehr ist, ist sie vielen eine Fremdsprache.
(13) Viele schreiben mit einer Aura hoher Geistigkeit wirres Zeug, damit die Leute denken, dass sich dahinter tiefere Wahrheiten verbergen. Mit anderen Worten: Sie führen die Leute an der Nase hinters Licht.
(14) Ich unterstelle anderen schon dann etwas, wenn ich sie nur zitiere. Denn das geschieht in der Umgebung des "Roten Punktes".
(15) Jeder weiss zu berichten, was nicht normal ist, aber keiner weiss, was nun eigentlich normal ist.
(16) Der Mistkübel der Zeit läuft deshalb über, weil die Perlen vor die Säue geworfen werden.
(17) Ich bin mir nie sicher, ob ich die Pausen beim Schreiben zum Komponieren nutze oder umgekehrt. Denn beides könnte dasselbe sein.
(18) Mehrgleisigkeit in der Kunst besteht nur dann, wenn der Künstler mehrere Triebfedern hat, also eine multiple Persönlichkeit ist. Alles andere sind unterschiedliche Einfallswinkel desselben künstlerischen Dranges. Ich kann ein und dasselbe auf tausenderlei Art ausdrücken.
(19) Ein Kunstwerk wird erst dann aktuell, wenn sein Anlass ins Nichts verpufft ist. Auf diese Weise unterscheide ich Kunst von Aktualitätsbespiegelung.
(20) Daraus, dass nicht alles, was Kunst genannt wird, auch Kunst ist, folgt, dass nicht alles, was Kunst ist, auch Kunst genannt wird.
(21) Die Aktualität des Tages holt nicht mich ein, ich bin ihr weit voraus und hole sie ein.
(22) Ein Künstler gestaltet nicht das Leben, sondern seine Vision des Lebens. Daraus folgt, dass das Leben nicht den Künstler gestaltet, sondern lediglich dessen Vision, die ihrerseits hinwiederum das Leben gestaltet.
(23) Nur wenn die Bedürfnisse des Geistes sich mit denen des Körpers decken, kann Kunst entstehen. Wenn sie die Bedürfnisse des Körpers überdecken, entsteht in jedem Falle Krampf.
(24) Eine Erregung öffentlichen Ärgernisses sorgt nicht nur für die Erregung privaten Ärgernisses, sondern dient gleichzeitig auch als Deckmantel für den heimlichen Genuss privater Erregung.
(25) Solange tagsüber Zucht und Ordnung herrschen und nur nachts Unzucht und Unordnung, ist alles bestens. Bedenklicher ist der umgekehrte Weg.
(26) Der Mensch kann alles begrenzen, nur seine Phantasie nicht. Denn diese rächt sich erbarmungslos und begrenzt den Menschen.
(27) Immer, wenn ich ein Skatspiel beobachte, wundere ich am meisten darüber, dass niemand dem Aufruf: "Hosen runter!" Folge leistet.
(28) Jeder Mensch besitzt eine Kultur. Diese kann variieren von Kultursucht über Esskultur, Freikörperkultur oder Hiphopkultur bis hin zur Unkultur. Denn auch diese ist eine Kultur.
(29) Ich werde oft deshalb als ungerecht betrachtet, weil ich immer meinem Anlass gerecht werde.
(30) Der Begriff Normalität ist vom Begriff Norm abgeleitet. Als Wertbegriff ist die Normalität demzufolge illusorisch und deshalb wertlos.
(31) Ich habe die Konfirmation immer abgelehnt, weil sie eine Form der Konformation ist. Deshalb genügt es mir, wenn ich mich selber komformiere. Stark genug bin ich eh schon.
(32) Es soll Leute geben, die gar nicht glücklich damit sind, dass alle Wege nach Rom führen. Sie seien damit getröstet, dass gleichzeitig auch alle Wege von Rom wegführen.
(33) Es gab immer schon nur drei Typen Menschen: Leiter, Mitläufer und Narren. Früher waren es nur die Narren, die vogelfrei waren.
(34) Nicht Interesse und Wertschätzung streicheln meine unermeßliche Eitelkeit, sondern Gegnerschaft und Hass.
(35) Heutzutage ist es schon eine dumme Sache, wenn man nicht dumm ist.
(36) Dass ich beinahe überall nur der Dummheit begegne, hat damit zu tun, dass die Dummheit exhibitionistisch von Charakter ist.
(37) Ein Künstler ist dann exhibitionistisch, wenn er nicht aus eigenem Antrieb arbeitet, sondern aus dem Antrieb, den Menschen zu gefallen.
(38) Daraus, dass Intelligenz eine Strafe ist, folgt nicht unbedingt, dass Dummheit ein Segen ist. Denn wenn die Dummheit ein Segen wäre, wäre das alleine schon als Strafe berechtigt.
(39) Es gibt Tiefen in der menschlichen Seele, die nicht einmal Psychologen oder Psychiatern zugänglich sind, sondern nur dem Künstler.
(40) Ein Künstler besitzt die Fähigkeit, das Elend dieser Welt so tief zu erleiden, dass es schon nicht mir weh tut.
(42) Das wirkliche Geheimnis der Erotik besteht darin, dass diese keine Geheimnisse kennt.
(43) Kerzenlicht, ein Glas Wein, leise romantische Musik, diese traditionellen Ingredienten der Erotik werden in dem Moment zunichte gemacht, in dem die Sonne scheint.
(44) Es ist ein Vorurteil, man könne sich in der Erotik gehen lassen. Die Erotik bewandelt ihre eigenen Wege.
(45) Diese Gesellschaft besteht in Mehrheit aus Voyeuren: Die Pornoindustrie blüht wie nie zuvor und zieht der Dummheit das Geld aus der Tasche.
(46) Nirgendwo findet man so viel schamlos zur Schau gestellte Häßlichkeit wie an einem FKK-Strand. Ein solcher ist das beste Mittel gegen aufkommende erotische Gelüste.
(47) Ich kenne eine Frau, die auch in erotischer Hinsicht Dialekt spricht.
(48) Was sich neckt,das neckt sich, was sich liebt, auch.
(49) Es gibt Momente, in denen der Sex die schönste Hauptsache der Welt ist.
(50) Erotik ist selten, sie kennt keine Choreographie, sie ist so grenzenlos wie die Phantasie. Alles Begrenzte ist keine Erotik.
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